WBM will Arkadengänge im Nikolaiviertel verglasen: Bezirk und Anwohner sind dagegen

Die charakteristischen Arkaden sind  ein Markenzeichen des Nikolaiviertels. | Foto: Dirk Jericho
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Mitte. Auch zwei Jahre nach dem Bekanntwerden der Pläne der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), im Nikolaiviertel die typischen Arkadengänge zugunsten größerer Ladenflächen zu schließen, rückt der kommunale Vermieter nicht von dem umstrittenen Vorhaben ab. Doch Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) lässt das nicht zu; und begründet dies auch mit dem Stadtklima.

„Es muss eine Aufwertung des Nikolaiviertels erfolgen, um dieses Quartier noch attraktiver zu machen“, sagt WBM-Sprecherin Steffi Pianka. Die WBM arbeitet seit Jahren an einem Standortkonzept für das rekonstruierte Nikolaiviertel mit seinen 800 Plattenbauwohnungen, 37 Büromietern, fünf Museen, 45 Läden und 22 Restaurants. Trotz erneutem BVV-Beschluss „Keine (Teil)schließung der Arkaden im Nikolaiviertelviertel“ vom Juli hat die WBM noch nicht aufgegeben. „Historie und Moderne müssen sich nicht widersprechen, wie bei der gelungenen Sanierung der sogenannten Schwalbennester in der Rathausstraße zu sehen ist“, so Pianka. Die WBM lege Wert darauf, „die Quartiersentwicklung nicht nur auf die Arkaden zu fokussieren.“

Baustadtrat Ephraim Gothe konnte sich bisher „vorstellen, zwei kleine Bereiche einzukapseln“, wie er sagt. Doch nach einem Treffen mit Martina Sprockhoff, Vorsitzende des Nikolaiviertel-Vereins, im Juli, denkt Gothe selbst über Kompromisse nicht mehr nach. „Alle Arkaden bleiben offen“, hat der Stadtrat nach der Begehung, an der auch 40 Anwohner und Gewerbetreibende teilnahmen, gesagt. Bei dem Rundgang hat der Vorsitzende der WBM-Mietervertretung, Karsten Goerlitz, Gothe auch drei bereits verschlossene Arkadenbögen einer Pizzeria an der Spandauer Straße gezeigt. „Das sieht wirklich schrecklich aus“, so Gothes Fazit. Er bezeichnete die Arkadenschließung als „Schwarzbau“.

Gegen die Schließung der charakteristischen Arkaden zugunsten größerer Mietflächen sind alle, wie Martina Sprockhoff sagt: Anwohner, Gewerbetreibende, Denkmalbehörden und Stadtplanungsamt. Auch der Architekt Günter Stahn, der das DDR-Vorzeigeviertel auf altem Stadtgrundriss geplant hat, hat beim Bezirk gegen die Arkadenschließung protestiert. Auf der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Juli , bei der ein Grünen-Antrag zum Arkaden-Erhalt beschlossen wurde, brachte Gothe noch ein anderes Pro-Argument in die Runde: Klimamäßig seien die offenen Arkaden auch wichtig für die Frischluftzufuhr. Verglaste Gänge würden hingegen die Geschäfte aufheizen. Prima Klima im historischen Viertel – das findet auch Martina Sprockhoff gut. Die Vereinschefin ist selbst WBM-Mieterin und hat einen Raumausstatter-Laden an der Probststraße. Sie möchte zukünftig noch mehr Grün in das Nikolaiviertel bringen und unter dem Begriff Urban Gardening gemeinsam mit Anwohnern und Geschäftsleuten Hochbeete pflegen. Als potenziellen Sponsor hat sich Sprockhoff schon mit Vattenfall in Verbindung gesetzt. Der Energiekonzern betreibt in Mitte schon zwei Nachbarschaftsgärten und hätte Interesse, ein Gartenprojekt auch im Nikolaiviertel zu fördern.

Um bauliche Veränderungen zu verhindern und das Nikolaiviertel zu schützen, hatte das Bezirksamt bereits im Januar 2016 wie von der BVV gefordert beschlossen, eine städtebauliche Erhaltungssatzung zu erlassen. Sie liegt vor, ist aber noch nicht in Kraft. Das soll laut Gothe in den nächsten Tagen geschehen. Auch Stefan Draeger, Vizechef der SPD-Fraktion in der BVV, sagt, dass die Schutzverordnung „sich im Geschäftsgang befindet“. Es sei dadurch nicht mehr möglich, die Arkaden zu verglasen. Für ihn ist die WBM "Hauptverursacher für die Probleme im Nikolaiviertel“. Es fehle ein professionelles Management der „Shopping-Malls“. Skandalös bezeichnet Draeger, dass die WBM die Ergebnisse einer Studie geheim hält, in der Experten Vorschläge zur Aufwertung des Viertels gemacht haben. „Möglicherweise müssen wir uns jetzt auf das Informationsfreiheitsgesetz berufen, um die Ausarbeitung zu bekommen“, so Draeger.

Das Nikolaiviertel ist das älteste Wohnviertel und Ursprung Berlins. Die Nikolaikirche wurde um 1230 als erste Kirche gebaut. Sie bildete mit dem Molkenmarkt den Kern der späteren Handelsstadt. Das Viertel wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Original erhalten sind nur Kirche, Knoblauchhaus und Kurfürstenhaus. Zur 750-Jahr-Feier 1987 hat die DDR das
Viertel auf altem Stadtgrundriss aufgebaut. Historische Lokale wie Am Nußbaum – es stand auf der Fischerinsel – und Zur Gerichtslaube wurden nachempfunden. Die Industrie-Platte wurde für Wohnhäuser angepasst und erhielt Giebel und schmiedeeiserne Verzierungen. DJ

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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