"Zwischen Entsetzen und Unverständnis"
Frank Bertermann ist ein grünes "Urgestein" - doch in der neuen BVV ist er nicht mehr dabei

Frank Bertermann kommt wieder. Das T-Shirt hat er sich extra für seine letzte BVV besorgt. In der BVV saß er 26 Jahre lang – für die Grünen.  | Foto: privat
  • Frank Bertermann kommt wieder. Das T-Shirt hat er sich extra für seine letzte BVV besorgt. In der BVV saß er 26 Jahre lang – für die Grünen.
  • Foto: privat
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Über die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ kam Frank Bertermann zu den Grünen. Seit 1994 sitzt er in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), seit zweieinhalb Jahren leitet er sie. Nun verabschiedet sich der 59-Jährige von der politischen Bühne – allerdings nicht freiwillig. Die Grünen haben ihm die nötige Mehrheit für eine erneute Kandidatur verweigert. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporterin Ulrike Kiefert spricht der Moabiter von einer Rufmordkampagne gegen ihn und dass man sich immer zwei Mal im Leben sieht.

Sie werden dem neuen Bezirksparlament nicht mehr angehören. Bei der BVV-Listenwahl Ende Mai verweigerten die Grünen Ihnen überraschend die nötige Mehrheit. Kennen Sie die Gründe?

Frank Bertermann: Die Gründe liegen wohl in dem altbekannten Grundsatz „Freund, Feind, Parteifreund“. In den vergangenen 26 Jahren gab es keine mir gegenüber geäußerte inhaltliche Kritik an meiner stadtentwicklungspolitischen und mietenpolitischen Arbeit. Bei besagter Wahl hatte ich zwei Möglichkeiten, mich der Parteibasis vorzustellen: virtuell mit einer Befragung und direkt auf der Wahlveranstaltung. In beiden Runden fragte mich lediglich ein mir unbekanntes Kreisverbandsmitglied, welche Verantwortung ich als Fraktionsmitglied darin sehe, dass zum Beginn der Wahlperiode so viele junge Frauen die Fraktion schnell verlassen hätten. Vor dem Hintergrund, dass die damaligen Fraktionsvorsitzenden zwei junge Frauen waren und eine Bezirksverordnete kurz nach der Wahl im Bezirksamt angestellt wurde, sie daher nicht gleichzeitig in der BVV sitzen konnte, zeigt die Frage deutlich, welche Rufmordkampagne da wohl gegen mich lief. Ich weiß auch, wer dahintersteckt, aber das ist eher nichts für eine Presseveröffentlichung.

Sie sind ein „Urgestein“ der Grünen, gelten als fair und sachlich, und werden auch im Bezirksamt als Stadtentwicklungsexperte geschätzt. Was sagen Sie Ihrer Partei, die auf Ihre Fachkompetenz künftig verzichten will?

Bertermann: Dass langjährige Fachkompetenzen bei den Grünen in Mitte ersichtlich noch lange kein Grund für eine Nominierung auf einer BVV-Liste sind.

Welche Reaktionen bekamen Sie nach Ihrer "Abwahl"?

Bertermann: Die Reaktionen lagen zwischen Entsetzen und Unverständnis. Vor allem von denen, für die ich mich in den letzten Jahrzehnten eingesetzt habe. Das war sehr aufbauend und hat mir gezeigt, dass ich wohl doch nicht alles falsch gemacht habe kann, wie die Entscheidung, mich politisch zu entsorgen, vermuten lassen würde.

Die Grünen haben sich nicht nur von Ihnen so radikal verabschiedet. Nur zwei der zwölf Fraktionsmitglieder haben es auf die BVV-Liste geschafft. Was steckt Ihrer Meinung nach hinter der Entscheidung?

Bertermann: Das können nur die beantworten, die diese Entscheidungen zu vertreten haben. Vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen um die Räumungen von Obdachlosen im Tiergarten, der Ausweisungsforderungen insbesondere polnischen Obdachlosen gegenüber und der Forderung nach einer Vertreibung der Prostituierten auf der Kurfürstenstraße kann man sich Eins und Eins zusammenrechnen, wenn man berücksichtigt, wer noch "gegangen wurde".

Wie geht es nach der Wahl für Sie persönlich weiter? Werden Sie sich aus der Lokalpolitik zurückziehen?

Frank Bertermann: Die Frage wurde mir schon oft gestellt. Ehrlicherweise weiß ich noch nicht, wo ich mir nach 26 Jahren ein neues, so zeitintensives "Hobby" suche. Üblicherweise ist meine Antwort: Ich mache mit meinem Fraktionskollegen Oliver Kociolek, der ebenfalls nicht "politisch überlebt" hat, die Waldorf-und-Statler-Nummer. Da wäre es ganz hilfreich, wenn der neue BVV-Saal, der im Rathausneubau am ehemaligen Haus der Statistik entstehen soll, einen Balkon bekommt. Von dort könnten wir dann genüsslich die Bezirksverordnetenversammlung kommentieren. Auf jeden Fall hatte ich mir für die letzte BVV meiner "Karriere" extra ein T-Shirt mit der Aufschrift "I'll be back!" geholt. Denn bekanntlich sieht man sich ja immer zwei Mal im Leben.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

52 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 741× gelesen
WirtschaftAnzeige
JRB DER HEIMWERKER hat alles, was Ihr Weihnachtsfest schöner macht. | Foto: JRB DER HEIMWERKER

JRB DER HEIMWERKER
Alles für Advent und Weihnachten

JRB DER HEIMWERKER hat ein stimmungsvolles und umfangreiches Angebot im Weihnachtsmarkt für Sie, liebe Kunden, zusammengestellt. Im EG. und 1. OG, das Sie bequem mit Rolltreppe oder Aufzug erreichen können, erwartet Sie eine große Auswahl an Weihnachtsdekoration. Christbaumkugeln und Spitzen in vielen Farben und Formen sowie viele Deko-Artikel, Figuren sind in großer Auswahl vorhanden. Das wichtigste ist ein guter Weihnachtsbaumständer und natürlich die Beleuchtung. Wir führen Lichterketten,...

  • Köpenick
  • 27.11.24
  • 773× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 462× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 42.500 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade und Mariendorf. Damit können weitere rund 42.500 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt zwei Millionen Anschlüsse in Berlin zu ermöglichen. Schnell sein...

  • Frohnau
  • 11.12.24
  • 912× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.841× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.