„Königin Margrethe durfte bei mir rauchen“
Ralf Wieland über die Bedeutung der Wahlen und seine zehn Jahre als Berlins höchster Repräsentant

Das Abgeordnetenhaus im historischen Gebäude des Preußischen Landtages hat einen sehr modernen Plenarsaal. Zehn Jahre lang hat Präsident Ralf Wieland die Sitzungen geleitet. | Foto: Dirk Jericho
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22 Jahre Abgeordneter, zehn Jahre davon als Berlins oberster Repräsentant: So lange wie er war nur sein Vorgänger Walter Momper (SPD) Abgeordnetenhauspräsident. Zur Wahl im September tritt das SPD-Urgestein Ralf Wieland nicht mehr an. Berliner-Woche-Reporter Dirk Jericho sprach mit dem 64-Jährigen.

Warum wirbt Ihr Haus zum ersten Mal mit einer Kampagne unter dem Motto „Du bestimmst, was in deiner Stadt passiert“ für die Wahlen des Landesparlaments?

Ralf Wieland: Die Wahlbeteiligung geht bundesweit zurück. Das ist ein Trend, den wir beobachten. Wer als Erstwähler überzeugt wird, wird auch zukünftig eher wählen gehen. Die Social-Media-Kampagne soll vor allem junge Leute ansprechen und motivieren. Wir versuchen mit der peppigen Kampagne, auch eine Corona-Lücke zu schließen. Viele Veranstaltungen mit Kandidaten zum Beispiel an Schulen konnten pandemiebedingt nicht stattfinden. Deshalb werben wir für die demokratische Wahl diesmal auf diese Art.

Warum sind gerade die Abgeordnetenhauswahlen so wichtig? Die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) als Vertretungen in den Kiezen nicht so?

Ralf Wieland: Das Abgeordnetenhaus ist das Parlament mit Gesetzgebungskompetenz. Hier wird Politik für Berlin gemacht. Das unterscheidet uns von den BVV als Teil der Verwaltung. Sie sind sehr wichtig und haben auch mehr Rechte als früher. Die Bezirksverordneten entscheiden zum Beispiel über Bebauungspläne und sind oft thematisch dichter dran an den Alltagsproblemen im Kiez. Und wer zur Abgeordnetenhauswahl geht, macht sein Kreuz auch auf den BVV-Stimmzetteln, davon bin ich völlig überzeugt. Wichtig ist, dass die Leute ihr Wahlrecht wahrnehmen.

Ralf Wieland ist seit zehn Jahren Präsident des Abgeordnetenhauses. Nach den Wahlen wird er sich in den Ruhestand verabschieden. | Foto:  Dirk Jericho
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Sie leiten nicht nur die Plenarsitzungen. Was sind die wichtigsten Aufgaben eines Parlamentspräsidenten?

Ralf Wieland: Die Sitzungen zu leiten ist das, was man im Fernsehen sieht. Aber der Präsident ist auch obererster Dienstherr einer Verwaltung als eigenständiges Verfassungsorgan. Mit eigenem Polizeirecht bin ich sozusagen auch der Polizeipräsident des Abgeordnetenhauses. Und als drittes repräsentiert der Präsident das Land Berlin und das Parlament bei vielen Anlässen wie Festakten oder Ausstellungseröffnungen.

Als Präsident sind Sie Chef der Parlamentsverwaltung und damit Behördenleiter. Wie viele Mitarbeiter arbeiten im Abgeordnetenhaus?

Ralf Wieland: Hier arbeiten über 170 Menschen – Büromitarbeiter, Haushandwerker, Sicherheitsleute, IT-Techniker, Bibliothekare und mehr. Allein 35 Juristen sind in der Parlamentsverwaltung angestellt. Wir sind stolz, dass wir die zahlreichen Herausforderungen durch die Pandemie mit Hygienekonzepten, Homeoffice, reduzierten Teilnehmern etc. so gut gestemmt haben. Die letzten 18 Monate waren für alle sehr belastend. In der ganzen Zeit musste nur einmal eine Sitzung um eine Woche verschoben werden. Besonders schade war, dass Besucher nicht mehr ins Haus durften. Wir haben uns immer gerühmt, dass wir ein sehr offenes Haus sind. Das ging dann leider nicht mehr.

Sie wurden zwei Legislaturperioden hintereinander zum Präsidenten gewählt und waren zehn Jahre lang Berlins oberster Repräsentant. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Ralf Wieland: Wir hatten einen Abgeordneten, der 2016 kurz vorm Wechsel in die nächste Wahlperiode einen Menschen umgebracht hat, das hat mich schon sehr beschäftigt (der Piratenpolitiker Gerwald Claus-Brunner tötete einen Mann und brachte sich anschließend selbst um, Anm. d. Red.). Das war tragisch und bizarr. Eine Besonderheit war auch 2014 der fliegende Wechsel an der Spitze der Regierung von Wowereit zu Müller mitten in der Wahlperiode. Eine schöne Anekdote ist hingegen, als Königin Margrethe II. von Dänemark und Bundespräsident Joachim Gauck 2014 die Ausstellung „Die Wikinger“ im Gropius-Bau gegenüber eröffnet haben. Bevor es nach der Eröffnungsveranstaltung im Plenarsaal ins Schloss Bellevue weiter ging, sollte die Königin laut Protokoll noch kurz hier warten. Damit sie nicht draußen im Hof rauchen musste, habe ich sie in mein Amtszimmer zum Kaffee gebeten. Königin Margrethe ist die einzige, die je in meinem Amtszimmer rauchen durfte.

Zur Wahl im September treten sie nicht mehr an. Keine Lust mehr auf Politik?

Ralf Wieland: Das ist keine Frage der Lust. Der Normalfall ist, dass man mit 65 in den Ruhestand geht – selbst in der Politik. Irgendwann ist es auch genug. Politik lebt vom Wechsel, da sollte man auch Platz machen. Ich bleibe politisch, aber ich habe jetzt endlich mehr Zeit für meine Familie und meinen Enkel und kann jenseits des Parlamentskalenders besser planen. Ich kann jetzt mal Südfrankreich im Frühjahr genießen und nicht in der Hochsaison während der Parlamentsferien, wenn es da viel zu heiß ist. In Sainte-Maxime gibt es eine schöne Ferienhausanlage von der Gewerkschaft IG Bau.

Verraten Sie uns noch, wer den Chefsessel im Roten Rathaus erobern wird?

Ralf Wieland: Als Weddinger Abgeordneter bin ich davon überzeugt, dass es Franziska Giffey sein wird.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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