Investor macht Arkonahöfe zu Luxuswohnhaus

KvU-Sprecher Elias (links) und Sozialarbeiter Jolly vor dem Eingang des Jugendklubs. | Foto: Dirk Jericho
  • KvU-Sprecher Elias (links) und Sozialarbeiter Jolly vor dem Eingang des Jugendklubs.
  • Foto: Dirk Jericho
  • hochgeladen von Dirk Jericho

Mitte. Nach 20 Jahren fliegt der Jugendclub KvU in der Kremmener Straße 9 raus. Der Eigentümer will die Jugendlichen nicht. Die Arkona-Gewerbehöfe sollen zu Eigentumswohnungen umgebaut werden.

Sie kommen aus ganz Berlin und sogar Potsdam oder Bernau hierher; Jugendliche, die einfach ihr Ding machen wollen: Punks, Anarchos, Grufties - "bunte Leute", wie Jörg "Jolly" Zickler, 48, seine Gäste nennt. Der Sozialarbeiter kümmert sich seit über 20 Jahren um die jungen Leute, die in der KvU abhängen, kickern, ein Bierchen trinken und vor allem Punkmusik machen können. Seit 1992 haben die KvU-ler in die Kremmener Straße 9 ihre Heimat. Der Klub ist ein Überbleibsel der DDR-Oppositionsbewegung "Kirche von Unten", in der sich 1987 Bürgerrechtler und Umweltaktivisten zusammengeschlossen hatten. Vor allem Punks hatten sich unter dem Dach der Kirche ihre Freiräume erkämpft, weil sie keine DDR-Musterjugendlichen waren.

Heute hat der KvU-Club mit Kirche und Religion nichts zu tun. Im Keller gibt es Probenräume für Bands. Am Wochenende kommen bis zu 200 Leute zu den Punkkonzerten. Der Senat finanziert die offene Jugendarbeit, der Trägerverein Sozialdiakonische Kinder- und Jugendarbeit im Verbund kann dadurch die zwei Sozialarbeiter und die Miete bezahlen. Doch seit dem 1. Januar ist Schluss. Die KvU-ler sind gekündigt, der Eigentümer droht mit Zwangsräumung. "Wir versuchen seit über einem Jahr mit dem Eigentümer zu reden", sagt Elias, 26, Sprecher der KvU-Vollversammlung. Doch die Firma Immowert aus Wien hat kein Interesse an Gesprächen. Sie will die historischen Fabriketagen zu Luxuswohnungen umbauen. Ein linker Jugendklub und Punkkonzerte passen da nicht.

Die meisten Gewerbemieter sind schon raus aus den Höfen. Die Geschichte der Fabrik wird wegsaniert von Immobilienleuten, für die Häuser lediglich maximal verwertbare Renditeobjekte sind. Schickes Loftwohnen in Luxusetagen, das bringt Kohle.

"Die einzige Option", so Elias, die der Jugendklub noch hat, ist das seit Jahren leerstehende Kulturhaus Peter Edel in Weißensee. Doch die Pankower BVV hat noch nicht entschieden, ob die landeseigene Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) das Haus bekommt. Vorher kann die KvU nicht in Verhandlung treten mit der GSE. Auch der Lärmschutz im "Peter Edel" wäre ein Problem. "KvU ohne Konzerte, das geht aber nicht", sagt Elias. Die Jugendlichen fordern deshalb nach wie vor den Erhalt der KvU am jetzigen Standort.

Wohlwollende Bekundungen und allgemeine BVV-Beschlüsse zum Erhalt des Klubs gibt es. Einzig mit dem Baurecht könnte man die Eigentumswohnungspläne noch durchkreuzen. Die Grünen und die Linken wollen einen B-Plan aufstellen, der die Arkonahöfe als Gewerbestandort festschreibt. Luxuswohnungen wären dann nicht mehr möglich, der Erhalt des 300 Quadratmeter großen Jugendklubs denkbar. Über den Antrag wird erst Ende Januar im Bauausschuss abgestimmt. "Viel zu spät, das wird die KvU nicht mehr retten", sagt Bauausschussvorsitzender Frank Bertermann (Grüne).

Weitere Informationen unter kvu.blogsport.de.

Die Arkonahöfe

Der viergeschossige Gewerbekomplex Wolliner Straße 18/19 und Kremmener Straße 9-11 wurde um die Jahrhundertwende errichtet und war bis zur Enteignung durch die Nazis bis 1938 im jüdischen Besitz. Die "arischen" Nachnutzer" flogen nach dem Zweiten Weltkrieg raus. In der DDR gab es hier volkseigene Zulieferbetriebe zum Bespiel für Pentacon in Dresden oder die Uhrenfirma in Ruhla. In den oberen Etagen arbeiteten hunderte Näherinnen des Berliner Modezentrums. Das nach dem Mauerbau geschlossene Delta-Filmtheater nutzte die DEFA zur internen Vorführung eingekaufter ausländischer Filme. Das Fernsehbalett nutzte den Saal in den 60-Jahren auch als Trainingsstätte. In der Fabrik gibt es auch alteingesessene Handwerksbetriebe, die auch in der DDR privat waren wie zum Beispiel die Elektromotoren-Reparaturwerkstatt Bernd Kerber. Nach der Wende wurden die Höfe von der WBM an die Gesellschaft für Stadtentwicklung (GSE) übergeben, um ein "Zentrum für Soziokultur und Gewerbe" zu errichten. Der KvU-Treff ist das einzige Sozialprojekt, das es in den Arkonahöfen noch gibt. Jetziger Eigentümer ist die auf die Entwicklung von Luxuswohnungen und Penthäuser spezialisierte Immobiliengruppe Immowert aus Wien.

Dirk Jericho / DJ
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 171× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 121× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 178× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.517× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.