Warum sich die Bienenhaltung in der Stadt besonders lohnt

Bärengold-Geschäftsführerin Annette Mueller (links) macht den Honig mit Mitarbeiterin Camille Hoornaert versandfertig. | Foto: Wörrle
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Berlin. Die Hauptstadt bietet Bienen einen optimalen Lebensraum. So gibt es in Berlin auch immer mehr Stadtimker. Im Sommer haben die Bienen fleißig Blütenpollen gesammelt, jetzt ist die Zeit der großen Honigverkostung. Anders als man vermuten könnte, ist Stadthonig sogar weniger schadstoffbelastet als so mancher Landhonig.

In den Geschäftsräumen der Berliner Bärengold GmbH schwirrt es wie in einem Bienenstock. Jemi füllt Honig aus großen Plastikeimern ab, Annette beklebt Gläser mit Etiketten, Camille stempelt die genaue Herkunftsbezeichnung und das Verfallsdatum darauf und Anna verpackt alles in Kartons. So kommt die "Hauptstadt Linde" aus Grunewald in die Lieferung für Edeka und der "Berliner Frühling" aus Zehlendorf in das Paket für das "KaDeWe". "Bei den Bienen ist jetzt Winterpause und bei uns geht es richtig rund", sagt Annette Mueller, Geschäftsführerin der Bärengold GmbH, einer Berliner Vermarktungsinitiative für Stadthonig. Gut 18 000 Kilogramm Honig hat die Firma in diesem Jahr schon verkauft, bis Jahresende sollen es 20 000 werden. Honig im Tee, im Lebkuchen oder in den Weihnachtsplätzchen - so steigt der Umsatz und die 30 beteiligten Berliner Stadtimker freuen sich, ihre Ernte auf diesem Weg verkaufen zu können. Denn schon ein einziges Bienenvolk produziert bis zu 40 Kilogramm Honig pro Jahr. Und die Zahl der Stadtimker steigt. Derzeit sind beim Berliner Imkerverband rund 740 Stadtimkereien eingetragen. Denn Berlin bietet den Bienen einen idealen Lebensraum.

Ahorn, Robinie, Linde, Götterbaum

Erst blüht im April der Ahorn, dann kommt im Mai die Robinie und im Juni/Juli folgen Linde und der Götterbaum. Dazu kommen Wiesen, Parks, Grünstreifen, Brachflächen und bunte Blumenkästen. "Die Bienen finden hier von April bis September eine breite Palette an unterschiedlichen Blüten", erklärt Cornelis Hemmer von der Initiative "Berlin summt". Auf dem Land gebe es fast nur noch Mais. Im Frühsommer blüht zwar der Raps, aber dann ist das Angebot schnell sehr begrenzt. Außerdem finden Bienenforscher immer wieder Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und anderen Umweltgiften, die die Bienen nicht immer aus dem Honig herausfiltern können.

Nach Aussage des Deutschen Imkerbunds liegen diese zwar immer unter den erlaubten Höchstmengen. "Gleichwohl ist die Wahrscheinlichkeit von Rückständen in einem Landhonig höher als in einem Stadthonig", sagt Werner von der Ohe vom wissenschaftlichen Beirat des Verbands. Da die Berliner Imker wesentlich mehr Honig ernten als ihre Kollegen auf dem Land, ist sich der Bienenforscher sicher, dass der Trend länger hält als nur ein paar Jahre.

Biene als Botschafterin

Doch nicht der Ertrag alleine ist es, was das Imkern in der Großstadt so attraktiv macht. Cornelis Hemmer sieht die Biene als Botschafterin. Im Rahmen der Initiative "Berlin summt" werben er und seine Mitstreiter so für den Erhalt der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt. "Die Biene ist das drittwichtigste Nutztier in Deutschland nach Rind und Schwein", sagt er. Ohne Bienen gebe es kein Obst und kein Gemüse. "Wir hätten keine blühenden Blumen und könnten keinen Wein trinken", sagt der überzeugte Naturschützer. Im Garten des Büros der Initiative in Zehlendorf steht ein Holzkasten, in dem sein eigenes Bienenvolk überwintert.

Ähnlich wie Annette Mueller von der Bärengold GmbH hat auch Cornelis Hemmer in der Bienennebensaison alle Hände voll damit zu tun, die eigenen Honig-Ideen voranzutreiben. Hat er im Sommer ein neues Bienenvolk nach dem anderen auf Dächern der Hauptstadt angesiedelt, so geht es jetzt darum, das Berliner Bienenkonzept in ganz Deutschland zu verbreiten und dafür Partner in anderen Städten zu finden. Aus "Berlin summt" soll "Deutschland summt" werden.

Deutschland summt im Einheitsdesign

Dabei bedienen sich sowohl "Berlin summt" als auch die Bärengold-Gründer einer Methode, die man von Fast-Food-Ketten kennt: Franchising. So bekommen die Gründer von neuen "Deutschland-summt"-Projekten fertige Vorlagen für einen Internetauftritt, für Werbeflyer und die Beschriftungen der Honiggläser. Außerdem knüpfen sie an das bereits vorhandene Netzwerk an und bekommen Unterstützung von erfahrenen Stadtimkern und den Projektinitiatoren. "Wir schaffen hiermit ganz neue Strukturen, die es im Naturschutz bisher so noch nicht gibt", sagt Hemmer.

Ähnlich läuft es in der Vermarktungsinitiative. Da sich nicht jeder kleine Imker um ein eigenes Vermarktungskonzept, ein schickes Logo und den Verkauf an Supermärkte kümmern kann, stellen die Bärengold-Gründer den Imkern dafür einen Rahmen zur Verfügung. Im Gegenzug müssen sich diese an bestimmte Vorgaben halten. "Unsere Imker dürfen keine chemischen Mittel einsetzen und den Bienen keinen Zucker zufüttern", sagt Annette Mueller. Der Geschmack des Honigs soll so möglichst unverfälscht sein. Außerdem müssen es die Bärengold-Imker akzeptieren, dass sich alle Mitarbeiter duzen. So hat jedes einzelne der vielen Hundert Honiggläser, die Annette, Camille und Anna in diesen Tagen versandfertig machen, einen Stempel auf der Unterseite auf dem der Vorname des Imkers und der Standort der Bienen steht. Der Honig verliert damit quasi seine Anonymität und "die Arbeit der einzelnen Imker bekommt eine ganz andere Wertschätzung", sagt Jens Michael Lehmann, der zweite Geschäftsführer, während er den Honig aus einem großen Fass in viele kleine Gläser füllt.

Regional einkaufen ist gefragt

Viele Berliner legen Wert auf Lebensmittel aus dem Umfeld

Den Berlinern ist die regionale Herkunft immer wichtiger. Das bestätigt auch die Leserfrage zur vergangenen Reportage über den Berliner Stadthonig. So antworteten 82 Prozent der Teilnehmer auf die Frage "Kaufen Sie bewusst regionale Lebensmittel?" mit Ja. Nur 18 Prozent verneinten. "Das ist ein immer bedeutenderer Trend. Studien belegen, dass den Verbrauchern die regionale Herkunft mittlerweile sogar wichtiger ist als die Bioqualität", sagt Jessica Fischer von der Verbraucherzentrale Berlin. Ausschlaggebend seien dafür ganz unterschiedliche Gründe. Sowohl die kurzen Transportwege, der Obst- und Gemüseanbau unter freien Himmel statt im Gewächshaus und die Unterstützung der heimischen Landwirtschaft sind den Verbrauchern wichtig. Doch trotz der steigenden Bedeutung gibt es Probleme. "Für die Bezeichnung der Region hat der Gesetzgeber nämlich bisher keine einheitlichen Kriterien vorgegeben", kritisiert Jessica Fischer.

Ein einzelner Landkreis kann damit genauso gemeint sein wie ein Bundesland oder eine Landschaft wie die Uckermark. Die Siegel auf den Lebensmittelverpackungen sind zudem nicht wie das Biosiegel staatlich kontrolliert. Sie stammen von den Herstellern selbst.

Initiativen für Stadthonig

Berlin summt und möglichst viele sollen mitsummen: Mit dem Ziel, die Stadtimkerei in Berlin und in anderen deutschen Städten auszuweiten ist die Initiative "Berlin summt" 2011 angetreten. An 15 prominenten Standorten wie dem Abgeordnetenhaus, dem Berliner Dom oder dem Haus der Kulturen der Welt haben die Mitglieder Bienenstöcke aufgestellt, die von Stadtimkern versorgt werden. Nun soll die Initiative über Berlin hinaus wachsen. Bislang haben sich die Städte Frankfurt/Main und München angeschlossen, 2013 folgen Nürnberg und Hamburg. Um den Bürgern den Stadthonig aus Berlin auch im Supermarkt anzubieten zu können und den Großstadtimkern einen Absatzmarkt zu bieten, haben Annette Mueller und Jens Michael Lehmann die Bärengold GmbH gegründet. Sie kaufen den Honig der Stadtimker, füllen ihn ab und vertreiben ihn als regionales Produkt unter der Dachmarke "Berliner Honig". Weitere Informationen zu "Berlin summt" unter www.berlin-summt.de. Näheres über die Bärengold GmbH und den Großstadthonig im Einzelhandel gibt es auf www.berlinerhonig.de.

Jana Tashina Wörrle / jtw
Bärengold-Geschäftsführerin Annette Mueller (links) macht den Honig mit Mitarbeiterin Camille Hoornaert versandfertig. | Foto: Wörrle
Cornelis Hemmer setzt sich mit der Initiative "Berlin summt" für die Erhaltung der Artenvielfalt ein. | Foto: Wörrle
Autor:

Jana Tashina Wörrle aus Charlottenburg

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