Einkaufstempel suchen neue Konzepte
Online-Handel und Corona-Krise stellen die Shoppingcenter der Stadt vor große Herausforderungen
Der Online-Handel macht es den großen Einkaufszentren seit Jahren schwer. Dann kam auch noch die Corona-Pandemie hinzu. Nun kämpfen die Center mit neuen Konzepten ums Überleben.
Leer stehende Läden, zugeklebte Schaufenster, wenige Kunden in den Gängen. In der Mall of Berlin am Leipziger Platz stehen etwa 40 von 260 Geschäfte leer. Auch in anderen Centern wie dem Boulevard Berlin in Steglitz oder dem Alexa gibt es Leerstand. Vor allem die Konsumtempel in der Innenstadt, die viele Touristen als Besucher haben, wurden von der Corona-Krise schwer getroffen. Immer mehr Mieter geben auf, weil sie zu wenig Umsatz machen.
Doch die Zeit der großen Einkaufszentren, die sich in ihren Angeboten und Anbietern kaum voneinander unterscheiden, geht schon länger ihrem Ende zu. „Die Tendenz, sich zu verändern, gab es auch schon vor Corona“, sagt Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Er glaubt, dass von den 70 Berliner Malls mindestens zehn nicht überleben werden. Corona hat die Entwicklung beschleunigt. Die Einkaufstempel müssten neue Konzepte liefern, mahnt Busch-Petersen.
Erlebniswelten erschaffen
Exemplarisch für den Wandel von Einkaufscentern hin zu Erlebniswelten sind die Potsdamer Platz Arkaden, die seit zwei Jahren umgebaut werden. Der Eigentümer probiert dort neue Konzepte aus – mit einem riesigen Streetfood-Markt als Hauptmieter. Die Londoner Firma Mercato Metropolitano verbindet Einkaufen mit Genuss und Show und wird auf zwei Ebenen hochwertige Lebensmittel, Live-Kochen und Gastronomie anbieten. Ob das funktioniert, wird man 2022 sehen, wenn die neuen Arkaden mit 90 Läden wiedereröffnen.
Oliver Hanna sieht die Krise als Chance und bastelt ebenfalls an neuen Konzepten. Der Centermanager vom Alexa am Alexanderplatz ist sicher, dass die Leute auch in Zeiten von Onlineshopping rausgehen und was erleben wollen. „Der Erlebniswert spielt eine immer größere Rolle“, sagt Hanna. Von seinen 177 Läden stünden derzeit nur drei leer. Das Alexa hatte 2020 – vor allem wegen des Ausbleibens der Touristen – Umsatz- und Kundenrückgänge von bis zu 40 Prozent. Doch die Stadt füllt sich nun endlich wieder mit Besuchern. „Und wir profitieren natürlich von der Lage am Alex“, so Hanna.
Neue Partner in der Mall
Erstmals hat am 20. August in der dritten Etage eine multimediale Ausstellung über die Geschichte und vor allem zukünftige Entwicklung des Alexanderplatzes eröffnet. Sie soll dauerhaft stehen bleiben. Kultur- und Bildungsangebote im Einkaufscenter und noch viel mehr – so könnte die Zukunft aussehen. Ana Lichtwer von der Berliner Stadtmission beschäftigt sich schon länger damit, wie man die „Raumressource Shoppingmall neu denken muss“. Die Projektleiterin vom Upcycling-Atelier im ehemaligen Haus der Statistik hat im Dezember im Alexa einen 120 Quadratmeter großen Laden bekommen, in dem junge Designer vor Ort nähen und verkaufen. Der Alexa-Shop sei ein Experiment und Appetithappen.
Oliver Hanna scheint er zu schmecken, obwohl er den einstigen Sportladen der Stadtmission kostenfrei zur Verfügung stellt. Ein Verein betreibt im Alexa ein Kinomuseum in einem leerstehenden Schuhgeschäft – ebenfalls kostenfrei. Solche Zwischennutzungen sind für die Centerbetreiber besser als gähnender Leerstand. Oliver Hanna glaubt wie Ana Lichtwer auch, dass daraus langjährige Partnerschaften mit richtigen Mieten werden könnten. „Früher waren Shoppingmalls reine Gelddruckmaschinen, doch die alten Konzepte haben ausgedient“, sagt Lichtwer, die von einem Lernprozess und Kulturwandel spricht.
Sie hat Konzepte und könnte in einer Mall „gleich 20 Räume bespielen“. Designerläden, Werkstätten, Bildungsangebote von Hochschulen, Berufs- und Schuldnerberatungen und vieles mehr – all das soll dort zukünftig stattfinden. Der Einkaufstempel als Begegnungsraum. „So kann ein weit über Berlin hinaus spannendes, wegweisendes Leuchtturmprojekt für diese Raumressource in unseren Städten entstehen“, sagt Lichtwer.
Auch im Geschäft der japanischen Modemarke Uniqlo an der Tauentzienstraße zeigt die Stadtmission bereits, wie Kommerz und Soziales zusammengehen: Uniqlo und Stadtmission haben in den Räumen ein Upcycling-Studio eröffnet. Kunden können sich dort von Designern donnerstags bis sonnabends zwischen 12 und 18 Uhr ihre alten Klamotten aufpeppen lassen.
Autor:Dirk Jericho aus Mitte |
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