Zwischen Tradition und Moderne
Das Wohnhaus in der Elberfelder Straße 35 ist ein wahres Kleinod

Der in Moabit ansässige Wilhelm Kiehnel baute Anfang des 20. Jahrhunderts dieses architektonische Kleinod. | Foto: KEN
  • Der in Moabit ansässige Wilhelm Kiehnel baute Anfang des 20. Jahrhunderts dieses architektonische Kleinod.
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Wer durch die ruhige, baumbestandene Elberfelder Straße im „schönen“ Moabit flaniert, kommt an zahlreichen alten Wohnhäusern vorbei. Eines sticht dabei besonders hervor: Hausnummer 35. Dort wurde etwas Außergewöhnliches geschaffen.

Das Gebäude wurde 1905 bis 1906 als Mietshaus errichtet. Es steht unter Denkmalschutz. Die Fassadengestaltung ist äußerst individuell. Ein bestimmter Stil ist nicht auszumachen. Zwar gibt es Anklänge an den Jugendstil, aber das Ganze wirkt doch überwiegend streng und symmetrisch.

Prägend für die Fassade zur Straße hin sind die senkrechten, hervortretenden Mauerverstärkungen aus Backsteinen, an denen kleine Öffnung im Mauerwerk auffallen, die an „Rüstlöcher“ zur Befestigung der Querbalken eines Gerüsts erinnern. Die Balkone und Loggien sind ebenfalls mit Ziegelsteinen verkleidet. Auffallend sind die verputzten Wandflächen in der Mitte mit ihren nach außen gewölbten Fenstererkern, darüber ein Staffelgiebel. Einst war an der Fassade noch ein steinerner Wasserspeier angebracht.

Im Wechsel von Putz und Backstein, in den Rüstlöchern, der Giebelform und dem Eingangsportal wollen die Fachleute des Landesdenkmalamtes einen Bezug zu hanseatischen Bürgerhäusern erkennen. Auf der anderen Seite heißt es in deren Beschreibung: „Der straffe, sachliche Aufbau, der weitgehende Verzicht auf Dekor, die scharfkantig eingeschnittenen Fenster und vor allem die vorgewölbten Erkerzonen verweisen auf moderne Tendenzen in der Architektur des frühen 20. Jahrhunderts.“

Architekt und Bauherr des schönen Wohnhauses war in einer Person Wilhelm M. A. Kiehnel. Vielist über Kiehnel nicht in Erfahrung zu bringen. Der Berliner Denkmaldatenbank lässt sich entnehmen: Wilhelm Kiehnel war in Moabit ansässig. Von ihm stammen noch die Gebäude in der Waldenserstraße 15 und in der Essener Straße 9, das in veränderter Form erhalten geblieben ist. Das Haus in der Bochumer Straße 13-14, Ecke Bundesratufer 9 von Kiehnel wurde im Krieg zerstört. Wilhelm Kiehnel bewohnte anfangs selbst das von ihm neu errichtete Haus mit kurzem Seitenflügel an der Elberfelder Straße und zwar das gesamte erste Obergeschoss des Vorderhauses.

Dort hatte er die beiden Dreieinhalb- und Viereinhalb-Zimmer-Wohnungen zusammengelegt. Im Seitenflügel befanden sich Badezimmer und Nebentreppe. Oben unter dem Dach hatte Kiehnel sein Atelier. Es lag hinter dem großen verglasten Bogenfenster, das sich noch heute in der Mitte der Fassade zur Straße hin öffnet.

In den historischen Berliner Adressbüchern, einer interessanten Quelle für Nachforschungen zu Häusern und Menschen, ist die Elberfelder Straße 35 bis 1909 als „Baustelle“ und schließlich als „Neubau“ verzeichnet. Im Adressbuch von 1910 sind 22 Mieter angeführt; genannt wurden damals allerdings nur die Haushaltsvorstände. Es können also weit mehr Bewohner im Haus gelebt haben. Sie spiegeln die Berliner Vielfalt der späten Kaiserzeit wider. Im Haus wohnten vier Kaufleute, drei Handwerksmeister, Handwerker, Angestellte und Akademiker, zwei Beamte, ein Militärangehöriger und Juwelier sowie ein „Invalide“ und eine „Witwe“.

Die letzte Ausgabe der historischen Adressbücher ist im Jahre 1943 erschienen. Hauseigentümerin ist jetzt eine Anna Dubinski. Ein Lederwarenfabrikant namens H. Dubinski, möglicherweise deren Ehemann, ist ebenfalls unter der Adresse Elberstraße 35 genannt. Im Krieg leben nur noch insgesamt zwölf Parteien im Haus: außer den Eigentümern vier Beamte, zwei Akademiker, zwei Handwerksmeister, ein „Vertreter“, ein Arbeiter und eine nicht näher bezeichnete „Frau“.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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