Dominikaner in Moabit: Nächstenliebe und Weiterbildung
Mitten in der Stadt und der Welt zugewandt sind die "fratres", die Brüder, wie sie sich gegenseitig nennen. "Wir waren immer in der Stadt. Wir sind ohne Stadt nicht vorstellbar", sagt Pater Antonin über seinen Orden, der im frühen 13. Jahrhundert vom heiligen Dominikus (1170-1221) aus Spanien gegründet wurde. Ein Prediger- und Bettelorden wie der des heiligen Franziskus. "Vielleicht sind sich die beiden begegnet", so der Prior.
Die neun Dominikaner aus dem Konvent in der Oldenburger Straße 46 und ihr Oberer arbeiten als Pfarrer, Hochschullehrer oder Seelsorger in Gefängnissen und Krankenhäusern. Das Interesse am Menschen sei die wichtigste Voraussetzung für ein Ordensleben, erklärt Pater Antoninus. Und das Ideal des "semper studere", der ständigen Weiterbildung. "Nur im Dialog und mit Überzeugungskraft kann man Menschen für den Glauben gewinnen", sagt der Prior. Deshalb müssten die Dominikaner stets auf der Höhe der Zeit sein.
Honorare und Gehälter der Brüder fließen auf ein gemeinsames Konto. Man lebt in Gemeinschaft und ist gemeinsam für den Konvent verantwortlich. Die Patres dürfen Urlaub machen, sind gesetzlich krankenversichert und über eine ordenseigene Pensionskasse rentenversichert. Alles wie "draußen". Abends wird auch gerne mal fern geschaut. "Selbstverständlich haben wir Spiele der Fußball-WM mitverfolgt", erzählt Prior Antoninus Walter. Pater Thomas Grießbach, Dozent in Berlin und Stuttgart, hat nichts dagegen, wenn man ihn im "Wohnzimmer" der Mönche gemütlich im Sessel sitzen und die Tagesschau gucken sieht.
Weltliche Angestellte hat das Kloster: einen Hausmeister, eine Köchin, eine Reinigungs- und Waschkraft, eine Pförtnerin, die auch die Buchhaltung erledigt, eine Sekretärin in der Pfarrei St. Paulus und eine Gemeindereferentin in der Seelsorge.
Das Kloster wirkt größer als es ist. Die zwischen 1891 und 1893 errichteten Gebäude samt neugotischer St. Paulus-Kirche, die einen stillen, üppig grünen Garten umschließen, haben Platz für maximal 13 Brüder. Sie bewohnen Einzelzimmer. Manche haben dazu noch einen Schlafraum. Die beiden Badezimmer nutzen die Mönche gemeinsam. Im Refektorium, dem Speisesaal des Klosters, wird gefrühstückt, Zeitung gelesen und zu Mittag gegessen. Ein kleiner Bereich mit zwei Doppelzimmern und drei Einzelzimmern ist Gästen vorbehalten, die hier ein paar "Oasentage" verbringen wollen.
Herzstück des Klosters ist die Bibliothek: Die Wände unten und auf einer Galerie schmücken fast 14 000 Bände. Einige wertvolle Stücke befinden sich heute in der Berliner Staatsbibliothek. An einem Ende des Raums steht ein wuchtiger Schreibtisch. Er gehörte einst der Redaktion der "Germania". Unmittelbar vor ihrer Auflösung 1938 arbeiteten die Redakteure der politischen Zeitung, die der Deutschen Zentrumspartei nahe stand, im Kloster. Pater Antonin verrät, dass sich Loriot für eine Szene in der Komödie "Pappa ante Portas" die Bibliothek nachbauen ließ: die der Lesung mit dem "bedeutendsten, lebendsten, noch lebendigen Vertreter moderner Lyrik, Lothar Frowein".
Die Mönche von Sankt Paulus fühlen sich in Moabit zu Hause. Gleichwohl sagt der Prior: "Wir sind hier Diaspora." Eine Minderheit. Antoninus Walter wünscht sich, dass sein Kloster ein geistlich-geistig-kulturelles Zentrum für die unterschiedlichsten Kulturen in Moabit wird.
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
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