Vereinsarbeit trifft Kunsthandwerk
Mode-Label „Rita in Palma“ arbeitet im Schillerkiez mit dem Integrationsverein „von Meisterhand“ zusammen

Ann-Kathrin Carstensen (links), Jana Beyer (rechts) mit Kollegin Christina Classen (Vierte von links) und die Häkelköniginnen. | Foto: Corinna Radakovits
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  • Ann-Kathrin Carstensen (links), Jana Beyer (rechts) mit Kollegin Christina Classen (Vierte von links) und die Häkelköniginnen.
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Das Studio in der Kienitzer Straße 101 beherbergt zwei Einrichtungen, die in den Augen vieler nicht so recht zueinander passen. Das ist einerseits der Verein „von Meisterhand“, der sich um Migrantinnen kümmert, andererseits das Mode-Label „Rita in Palma“. Aber beide hängen eng miteinander zusammen.

„Einigen wäre es sicherlich lieber, wenn wir Topflappen machten“, sagt Designerin Ann-Kathrin Carstensen. Das würde sich eher in das gängige Bild von einem Sozialverein fügen. Doch ihre „Häkelköniginnen“, wie sie sie nennt, liefern Kunsthandwerk auf höchstem Niveau: ornamentale Armbänder mit Swarovskisteinen, ausgefallene Kragen, filigrane Colliers aus feinem türkischem Garn.

Dutzende von Arbeitsstunden stecken in einem solchen Meisterstück. | Foto: Corinna Radakovits
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Angefangen hat alles 2012 mit einer Design-Idee. Ann-Kathrin Carstensen wollte schöne Accessoires kreieren und suchte Personen, die die Kunst des Häkelns und Knüpfens beherrschen. Sie fand sie in der türkischen Community. Doch bald stellte sich heraus: Ihre ursprüngliche Idee, die Frauen in Heimarbeit produzieren zu lassen, haute nicht hin – zumindest nicht bei allen. Einige brauchten Unterstützung und Ansprechpartner. „Deshalb haben wir unseren Verein für Integration, Bildung und Kunsthandwerk gegründet“, sagt Jana Beyer, Mitstreiterin von Ann-Kathrin Carstensen. „Manche der Frauen hatten wenige bis gar keine Deutschkenntnisse, sie waren immer nur für die Kinder dagewesen, kaum jemand hat sich um ihre Bedürfnisse gekümmert.“

Der Verein bot und bietet Sprachkurse, berät, begleitet zu Ämtern, organisiert Yogakurse, hilft bei Problemen in der Familie. Inzwischen sind auch einige Frauen aus arabischen Ländern mit von Partie, die sich mit Handarbeiten noch nicht so gut auskennen. Sie werden von einer versierten Türkin in die hohe Kunst des Häkelns eingeführt. Im Laufe der Zeit erfuhren die Vereinsgründerinnen Dinge, von denen sie vorher nichts geahnt hatten. Eine Schulpflicht für türkischen Migrantenkinder habe es in Berlin zum Beispiel erst ab 1980 gegeben, erzählt Beyer, da seien viele durchs Raster gefallen. „Oder: Wenn das jüngste Kind 18 Jahre alt geworden ist, ist oft der Aufenthaltsstatus der Mutter in Gefahr. Das ist brutal“, ergänzt Carstensen.

Über die Corona-Zeit hinweg helfen Masken aus Seide, die reißenden Absatz finden. | Foto: Corinna Radakovits
  • Über die Corona-Zeit hinweg helfen Masken aus Seide, die reißenden Absatz finden.
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Das Unternehmen fährt heute zweigleisig. Im Verein werden derzeit acht Migrantinnen betreut und geschult, eine zweite Gruppe häkelt selbstständig für das Label „Rita in Palma“. Aber auch die Heimarbeiterinnen stehen miteinander in Kontakt, treffen sich, trinken Tee, tauschen sich aus. „Darüber hinaus erledigen sie im Laden Aufgaben, verkaufen, kennen das Kassensystem, die Vertriebswege und haben eigene Schlüssel“, so Beyer. Schließlich sollen sie Verantwortung übernehmen und die Möglichkeit haben, auch woanders arbeiten zu können.

Trotz alledem, die Vorbehalte gegen die Mischung aus Gemeinnützigkeit und edlen Produkten träten immer wieder zutage, sagt Carstensen. An Fördermittel zu kommen gestalte sich beispielsweise schwierig. „Viele vermuten sofort, dass wir die Frauen irgendwie ausbeuten.“ Gerade wenn sie die Preise der textilen Meisterstücke sehen: Sie reichen von 20 Euro für ein Armband bis zu 1000 Euro für einen sehr aufwendigen Schmuck. Die Preise berechneten sich nach der Arbeitszeit und der Anzahl der verarbeiteten Perlen, und für ein großes Collier braucht selbst eine Häkelkönigin rund 40 Stunden. „Wir wollen die Frauen weg vom Jobcenter holen und ihnen einen anständigen Lohn für ihre wunderschönen Werke zahlen“, sagt Carstensen. Sie selbst habe das Glück, mit ihrer Familie in einer günstigen Wohnung zu leben, zu mehr reiche der Verdienst, den sie sich auszahlt, nicht. „Mir wurde schon oft vorgeschlagen, einfach in der Türkei produzieren zu lassen – meistens von Männern. Aber das ist nicht Sinn der Sache.“ Aber es gibt auch viel Anerkennung für ihre Manufaktur.

Ann-Kathrin Carstenssen mit Halsschmuck aus der eigenen Manufaktur. | Foto: Corinna Radakovits
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Das KaDeWe stellte drei Vitrinen für kunstvolle Kragen zur Verfügung. Schauspielerin Meret Becker hielt einen Besuch der Häkelköniginnen im Kaufhaus für den Sender Arte fest, zu sehen unter https://bwurl.de/160a. Schauspielerin Maria Schrader ist ebenfalls Fan und trug Halsschmuck des Labels bei der jüngsten Emmy-Verleihung. Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Vogue, war schon zu Gast, und das Humboldt-Forum hat Waren für seine Museumsshops bestellt. Es kommt noch besser. Ebenfalls zur Kundschaft gehörte die Gattin des ehemaligen US-Botschafters in Berlin. Sie sorgte dafür, dass Ruth Bader Ginsburg, die kürzlich verstorbene Richterin am Supreme Court und Liebhaberin von weißen Spitzenkragen, ein Exemplar aus Neukölln erhielt. Sie bedankte sich postwendend. Genauso wie Michelle Obama, die sich gemeinsam mit ihren Töchtern über Geschenke der Marke „Rita in Palma“ freute und einen begeisterten Brief schrieb – zu besichtigen an der Kienitzer Straße im Schillerkiez.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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