Der Marktplaner - Nikolaus Fink lockt Menschen zum Einkaufen auf die Straße

Nikolaus Fink in der Sanderstraße, wo er seine Büroräume hat. | Foto: Schilp
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Von Rudow über Britz bis zum Maybachufer: Nikolaus Fink betreibt sieben Neuköllner Wochenmärkte fürs Bezirksamt. Wer erleben möchte, was er so alles auf die Beine stellt, hat Freitag, 15. Dezember, eine gute Gelegenheit dazu. Dann erwartet die Besucher des Kranoldplatzes eine vorweihnachtliche Atmosphäre.

Natürlich ist Fink nicht alleine. Er arbeitet mit einem rund zehnköpfigen Team, das sich „diemarktplaner“ nennt und zu dem Handwerker, Marktmeister und Projektmanager gehören. Fink selbst hat schon seit einem Vierteljahrhundert mit Märkten zu tun. Und er kennt die Quelle von Fleisch, Gemüse & Co. Denn schon früh verließ er seine Heimatstadt Köln, um eine Ausbildung zum Landwirt zu machen. Er kam herum und lernte viel – sogar das Käsemachen. In Konstanz stand er zum ersten Mal auf einem Markt und bot Salat an. „Um 5 Uhr geerntet, um 8 Uhr am Stand, frischer ging’s nicht. Das sprach sich schnell rum“, erzählt er. Am Bodensee sei Qualität eine absolute Selbstverständlichkeit, dafür sorge alleine die Nähe zu Frankreich und Italien.

Als Fink 1996 nach Berlin übersiedelte, traf er – auch in dieser Hinsicht – auf eine andere Welt. Doch langsam entwickelte sich etwas. So war er vor rund 20 Jahren bei einem der ersten Ökomärkte auf dem Kollwitzplatz dabei und vertrieb Brot für die Tempelhofer ufa-Fabrik. Auch während seines Studiums der Landschaftsplanung hat ihn der Gedanke an Märkte nie losgelassen. Seine Diplomarbeit schrieb er über die Vermarktung Brandenburger Produkte in Berlin. Er suchte nach einer Möglichkeit, Stadt und Land zu verbinden. So fand er seinen Beruf.

Knochenjob Markthändler

Leicht ist die Situation nicht, erzählt er. Die Kaufkraft ist gesunken, die Zahl der Supermärkte und Einkaufscenter stark gewachsen. So holen „die Großen“ mit ihrem Preis-Dumping die Kunden von der Straße. Auf der anderen Seite gibt es immer weniger Lebensmittelhandwerker wie Fleischer und Bäcker, auch die Auswahl im Großhandel schrumpft – Zentralisierung allerorten. Neue gute Händler oder Direktvermarkter zu finden, sei sehr schwer. Da heiße es, aktiv zu werden. „Wir fahren ins Umland, besuchen Bauern, versuchen sie, für uns zu gewinnen. Das wird sehr gut aufgenommen.“

Sein Team und er wollen das Zusammengehörigkeitsgefühl der Händler stärken und sie unterstützen. Mit Werbung, Flyern, Webseiten oder auch Deko-Weihnachtssternen. Denn um diese Dinge können sich die Standbetreiber oft nicht kümmern. „Viele sind Einzelkämpfer, fahren nachts um drei Uhr auf den Großmarkt, der Krankenstand ist hoch.“ Da gelte es, fair zu sein, langfristig zu denken und Vertrauen zu schaffen. „Wir haben Verantwortung, hinter jedem Mensch steckt ja eine Geschichte.“

Je nach Kiez verschieden

Aber es geht nicht nur um die Händler, sondern natürlich auch um die Kunden. Sie sollen sich gerne auf dem Markt mit Nachbarn treffen und alles finden, was sie sich wünschen. Jeder Standort habe da seinen ganz eigenen Charakter, so Fink. In Britz-Süd beispielsweise würden Bio-Produkte eher argwöhnisch beäugt, während auf Regionalität Wert gelegt werde. Am Maybachufer habe er einem Obst- und Gemüsehändler, der auf hohe Qualität achtet, mehr Platz gegeben. Auch einen Weinstand wünscht sich Fink hier. Auf dem Hermannplatz werde die Live-Musik gut angenommen. „Was aber überall funktioniert, ist eine freundliche, individuelle Bedienung.“

Wichtig sei, dass die Nachbarschaft den Markt akzeptiere und er zu ihr passe. Das ist nicht immer einfach. Ein Beispiel ist die Dicke Linda auf dem Kranoldplatz, benannt nach einer alten Kartoffelsorte. Sie entstand auf Initiative einer Bewohnerin, vor gut zwei Jahren übernahm Nikolaus Fink. Er glaubt, dass sich die Dicke Linda in Richtung des Südstern-Marktes entwickeln wird – viel bio, aber nicht ausschließlich, ein kleinteiliges und vielfältiges Angebot. Denn die Bevölkerung verändert sich, es ziehen wohlhabendere Menschen hierher.

Markt für alle machen

Andererseits gibt es die Alteingesessenen, die oft wenig Geld haben und wegen der explodierenden Mieten von Verdrängung bedroht sind. „Das ist eine sprunghafte Entwicklung, es fehlt der Mittelbau“, sagt Fink. Ein Schicki-Micki-Markt solle die Dicke Linda auf keinen Fall werden. Es freue ihn, dass auch viele Anwohner, die von Hartz IV leben, sich gerne dort aufhalten. „Und sie bekommen am Stand meiner Frau weiterhin einen Kaffee für die Hälfte.“

Der Weihnachtsmarkt auf dem Kranoldplatz findet am 15. Dezember von 10 bis 18 Uhr statt. Es gibt Live-Musik mit deutschen, französischen und italienischen Liedern, ein Lagerfeuer, Glühwein und Quarkkeulchen, Schmuck, faire Mode, scharfe Messer, naturgegerbte Felle und vieles andere mehr.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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