EU-Sozialkommissar László Andor besuchte Neukölln

László Andor (2.v.r.) mit Schulleiter Carsten Paeprer (links), Franziska Giffey und Bundestagsabgeordnetem Florian Pronold (SPD). | Foto: KEN
  • László Andor (2.v.r.) mit Schulleiter Carsten Paeprer (links), Franziska Giffey und Bundestagsabgeordnetem Florian Pronold (SPD).
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Neukölln. Es war eine nicht alltägliche Zusammenkunft. Am 31. Januar war der EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, László Andor, zu Besuch in Neukölln. In der Harzer Straße erläuterte Stadträtin Franziska Giffey (SPD) ihrem Gast die tägliche Mühsal der Integration.

Erste Station der Visite war die Hans-Fallada-Schule. Die Ganztagsschule mit einem sonderpädagogischen Förderzentrum betreibt einen hohen Aufwand, um ihre Migrantenkinder gut zu versorgen. 380 Schüler von 420 haben nichtdeutsche Wurzeln. Die meisten sind türkischstämmig, gefolgt von arabischen Kindern. An dritter Stelle stehen Rumänen und Bulgaren. "Wir dürfen keine ethnische Statistik führen", sagt Franziska Giffey. Die Stadträtin schätzt aber, dass die überwiegende Zahl dieser Kinder Roma seien.

Waren es vor rund vier Jahren jede Woche noch drei bis zehn Kinder aus rumänischen und bulgarischen Zuwandererfamilien, die eingeschult werden mussten, kommen sie heute gleich in Klassenstärke. Es geht nicht nur darum, Deutschkenntnisse zu vermitteln. Es geht oft auch um die Vermittlung grundlegender Fertigkeiten wie den Umgang mit Schreibstiften und Schere oder Schnürsenkeln.

"Wir haben unsere Schmerzgrenze erreicht", gibt Giffey zu. Neukölln spüre unmittelbar die Folgen der Armutszuwanderung, gepaart mit Analphabetismus, geringer Berufsqualifikation und fehlender Krankenversicherung. Und das in einem 300.000-Einwohner-Bezirk, in dessen Schulen 80 bis 90 Prozent der Kinder Migrationshintergrund hätten und eine vergleichbar große Zahl auf Transferleistungen angewiesen sei. Franziska Giffey fürchtet um den sozialen Frieden.

Zweite Station war die Arnold-Fortuin-Wohnanlage gleich neben der Schule. Hier demonstrierte Benjamin Marx von der Aachener, einer katholischen Wohnungsbaugesellschaft aus Köln, dem Brüsseler Funktionär, wie man skandalöse Wohnverhältnisse zwischen Müllbergen in menschenwürdige ändern kann. "Das Mietshaus ist ein absoluter Ausnahmefall", musste Franziska Giffey ihrem Gast erklären. Durchaus nicht unüblich sei es, dass gerissene Hauseigentümer ihre Schrottimmobilien zu völlig überzogenen Mieten an Roma-Großfamilien vermieteten.

Die Hoffnung Franziska Giffeys auf Verständnis und Trost beim EU-Kommissar wurde enttäuscht. László Andor rief ein fröhliches "Weiter so" in Sachen Integrationsarbeit in die Runde. Rumänien und Bulgarien seien Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Ihre Bürger genössen die selben Rechte wie die der anderen Staaten auch, inklusive Niederlassungsfreiheit. Selbst wenn Rumänien und Bulgarien alle bereit gestellten EU-Gelder abriefe, würde das Roma-Problem nicht sofort gelöst. Außerdem müsse Deutschland ein großes Interesse an Einwanderern haben: Die Wirtschaft brauche sie genauso wie eine überalterte Gesellschaft.

Karen Noetzel / KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 181× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 138× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 189× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.524× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.