Drogenkonsumräume
"Das ist hier kein rechtsfreies Gebiet"

An diesem Tisch können sich Fixer einen Schuss setzen und anschließend ihr Spritzbesteck entsorgen. | Foto: Schilp
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Gegenüber der Magdalenenkirche, an der Karl-Marx-Straße 202, gibt es seit dem 1. Februar zwei Drogenkonsumräume. Hier können sich Abhängige in geschützter Atmosphäre einen Schuss setzen oder Suchtmittel rauchen.

Der „Injektionsraum“ ist gefliest, an einem langem Stahltisch reihen sich sechs Stühle, jedem Platz gegenüber hängt ein Spiegel – damit es leichter fällt, die Vene zu treffen. Für die gebrauchten Spritzen stehen gelbe Plastikbecher bereit. Weniger klinisch wirkt der benachbarte „Inhalationsraum“. Dort kann sich der Konsument an einen der sechs Tischchen setzen und rauchen – meistens wird er die Droge auf Alufolie erhitzen und die Dämpfe durch ein Röhrchen einatmen.

Heroin, Kokain oder ein Cocktail aus beiden sind die Hauptsubstanzen, die genommen werden. „Bei uns gibt es steriles Spritzbesteck, die hygienischen Bedingungen sind gut, die Infektionsgefahr niedrig, eine medizinische Fachkraft ist immer vor Ort“, sagt Nicola Blättner vom Verein „Fixpunkt“, Träger der Einrichtung.

Bessere Bedingungen, großer Zulauf

Zugänglich sind die Konsumräume werktags von 13 bis 18 Uhr. Vor der Eröffnung gab es zwei Drogenmobile, die zu bestimmten Zeiten ganz in der Nähe standen. Jetzt sei die Situation wesentlich besser, auch wenn sie sich längere Öffnungszeiten wünsche, so Blättner. „Hier bieten wir mehr Sicherheit und sind witterungsunabhängig.“ Außerdem habe es in den Mobilen keinen Platz für Inhalierer gegeben.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Kamen pro Monat rund 100 bis 150 Konsumenten zu den Mobilen, wurden die festen Räume an den ersten drei Tagen von fast 80 Menschen genutzt – und Spritzen und andere Utensilien landen nicht auf der Straße, in Grünflächen oder gar auf Spielplätzen.

Über die Reaktionen der Anwohner ist Blättner glücklich. Bei Infoveranstaltungen sei die Stimmung sachlich und friedlich gewesen, vielleicht auch, weil viele schon die Mobile kannten. „Das ist ja auch kein rechtsfreies Gebiet bei uns, im Gegenteil“, so Blättner. Es gibt etliche Regeln: Jeder Nutzer muss einen Vertrag mit „Fixpunkt“ schließen und einige Angaben zur Person machen. Für Erstkonsumenten und Personen, die vom Arzt Ersatzmittel erhalten (Substitution), sind die Konsumräume tabu. Dealen ist verboten, auch draußen. Drogen dürfen nicht anderen übergeben oder mit ihnen geteilt werden.

Betreuung im Fokus

Die Einrichtung als „Fixerstube“ zu bezeichnen, ist verfehlt. „Wir sprechen lieber von unserer Kontaktstelle mit integriertem Konsumraum“, sagt Blättner. Tatsächlich nimmt die „Kontaktstelle Druckausgleich“ einen großen Teil des Erdgeschosses ein. Sie ist bereits Anfang September von der Warthestraße hierher gezogen. Dort war der Vertrag gekündigt worden. Mit der Gewobag wurde eine neue, aufgeschlossene Vermieterin gefunden. Die Lage, unweit des Drogenschwerpunkts am U- und S-Bahnhof Neukölln, findet Blättner optimal.

Die Kontaktstelle sorgt für soziale Betreuung und berät, auch über den möglichst sicheren Umgang mit Drogen. Es gibt einen Cafébetrieb, etwas zu essen, die Besucher können Wäsche waschen und trocknen, duschen, sich mit Kleidung versorgen. „Etliche sind in sehr schlechter gesundheitlicher Verfassung, haben keine Unterkunft. Oft müssen wir erst diese Themen angehen, bevor wir uns mit der Sucht beschäftigen können“, sagt Nicola Blättner.

Fixer aus Osteuropa

Dass das Hauptklientel aus osteuropäischen Ländern komme, stimme nicht, es gebe auch viele angestammte Berliner, so Blättner. Was richtig sei: Die Osteuropäer hätten häufig große Angst, etwas von sich preiszugeben, manche können gar nicht glauben, dass sie nicht der Polizei gemeldet werden.

Um erste Türen zu öffnen, ist Fixpunkt-Sozialarbeiter Malte Dau gemeinsam mit einem Sprachmittler in Neukölln unterwegs, baut Vertrauen auf, vermittelt Abhängige an seine Kollegen in den festen Räumen. Dieses Straßensozial-Projekt wird vom Bezirksamt bezahlt, während die Senatsgesundheitsverwaltung die Kosten für die Kontaktstelle samt Konsumräumen trägt.

Anders als den Mobilen, steht Neuköllns Gesundheitsstadtrat Falko Liecke (CDU) den Konsumräumen kritisch gegenüber. Wiederholt forderte er, die Drogensituation erst einmal gesamtstädtisch zu analysieren, bevor eine feste Anlaufstelle installiert werde. Schließlich könnten sich Hotspots schnell verlagern. „Da bin ich einerseits voll seiner Meinung“, sagt Blättner. Es sei tatsächlich wünschenswert, einen berlinweiten Überblick über die Szene zu gewinnen.

Andererseits ist sie überzeugt, dass Neukölln die Einrichtung jetzt und künftig braucht. Die Befürchtung, dass sie viele User aus anderen Gegenden anlockt, hat sie nicht: „So mobil sind Drogensüchtige nicht.“ So gebe es bereits seit Jahren Konsumräume in der Kreuzberger Reichenberger Straße, die aber kaum von Neuköllnern genutzt worden seien. „An der Situation hier im Bezirk haben sie nichts geändert.“

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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