"Bald gehört der Garten sich selbst"
Neue Stiftung möchte der Grünanlage an der Richardstraße eine sichere Zukunft garantieren

Das Comenius-Denkmal wurde 1992 von Alexander Dubček eingeweiht, dem damaligen tschechischen Parlamentspräsidenten und Galionsfigur des Prager Frühlings. Der Garten wurde drei Jahre danach eröffnet. | Foto:  Schilp
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  • Das Comenius-Denkmal wurde 1992 von Alexander Dubček eingeweiht, dem damaligen tschechischen Parlamentspräsidenten und Galionsfigur des Prager Frühlings. Der Garten wurde drei Jahre danach eröffnet.
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Der Comenius-Garten in der Richardstraße 34 soll vor Bebauung geschützt werden. Deshalb ist eine Stiftung in Gründung, deren Zweck es ist, die artenreiche Grünanlage zu erhalten.

Noch ist der Verein Förderkreis Böhmisches Dorf Träger des 7000 Quadratmeter großen Geländes. Doch das soll sich ändern. Schon im vergangenen Jahr hatte das Abgeordnetenhaus der Stiftung das Grundstück und eine Millionen Euro zugesagt. Vor gut zwei Wochen unterzeichneten Petr Hlaváček, Stellvertreter des Prager Oberbürgermeisters, und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) eine gemeinsame Erklärung zu der von beiden Städten getragenen Stiftung.

Seit 26 Jahren verbindet Berlin und Prag eine Partnerschaft und seit 26 Jahren ist der Comenius-Garten geöffnet, der dem tschechischen Pädagogen, Philosophen und Theologen Johann Amos Comenius (1592-1670) gewidmet ist. „Er war ein absoluter Pazifist, genauso wie die böhmischen Glaubensflüchtlinge, die sich hier ab 1737 ansiedelten“, sagt Henning Vierck. Der 73-jährige Wissenschaftshistoriker ist der „Vater“ des Gartens und auch heute fast jeden Tag dort anzutreffen. Bis 1971 stand auf dem Areal übrigens die Richardsburg, eine riesige Mietskaserne. Nach ihrem Abriss war im Gespräch, ein Oberstufenzentrum für 1500 Schüler zu errichten. „Das hätte das Dorf erschlagen“, ist sich Vierck sicher.

Ein kleiner Teich, in dem viele Tiere leben, ist in hinterem Bereich des Gartens zu finden. | Foto: Schilp
  • Ein kleiner Teich, in dem viele Tiere leben, ist in hinterem Bereich des Gartens zu finden.
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Langsam entwickelte er das Konzept für eine Anlage, die Vorstellungen von Comenius spiegelt. So steht jeder Teil des Gartens für einen Lebensabschnitt des Menschen. Das kann der Besucher zwar nicht auf den ersten Blick erkennen, Informationstafeln sollen trotzdem nicht aufgestellt werden. Kommerzielle Führungen sind sogar strikt untersagt. „Wir halten uns an den Grundsatz von Comenius: Denken, sprechen, handeln. Denken allein reicht nicht, wer etwas wissen will, soll mit mir oder anderen Mitarbeitern reden“, sagt Vierck.

Von Anfang an wichtig waren ihm die Kinder, die zwischen Karl-Marx-Straße, Sonnenallee und S-Bahn-Ring leben. Früher seien jeden Nachmittag viele Mädchen und Jungen auf eigene Faust vorbeigekommen, um auf der Holzbrücke zu liegen und Molche zu beobachten oder auf die Leiter zu steigen und Kirschen zu pflücken. Das habe wegen der Ganztagsbetreuung abgenommen. Heute müsse mehr organisiert werden, so seien inzwischen die Vormittage für Kita- und Schulgruppen reserviert.

Petr Hlavacek (l.), Stellvertreter des Prager Oberbürgermeisters, und Finanzsenator Matthias Kollatz unterzeichnen die Erklärung zur Stiftung. Hinten: der tschechische Botschafter Tomas Kafka und Gartengründer Henning Vierck. | Foto: Bertil Wewer
  • Petr Hlavacek (l.), Stellvertreter des Prager Oberbürgermeisters, und Finanzsenator Matthias Kollatz unterzeichnen die Erklärung zur Stiftung. Hinten: der tschechische Botschafter Tomas Kafka und Gartengründer Henning Vierck.
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Stolz ist Vierck darauf, dass es meistens friedlich im Garten zugeht und auch Jugendliche die Regeln akzeptieren. „Trotzdem lösen wir ständig Konflikte. Oft reicht es aber, jemandem einen Apfel in die Hand zu drücken, ganz im Ernst“, sagt er. Und er freut sich über die kleinen alltäglichen Erlebnisse. „Da kommt ein zwölfjähriger Junge, als die Obstbäume blühen, und fragt: ‚Gibt es keine Äpfel mehr, nur noch Blumen?‘ Dem ist etwas aufgefallen! Das bringt mehr, als über Stempel und Bestäubung zu dozieren.“

Kinder ernst nehmen sei elementar. Deshalb wird im Garten auch geforscht. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts kooperieren mit der benachbarten Richard-Schule und machen Workshops zu grundlegenden Themen. Momentan geht es um Raum und Fragen wie „Kann man Raum auch sehen, wenn es dunkel ist?“. „Da ist so mancher Wissenschaftler erstaunt, wenn ein Kind ähnlich wie Aristoteles denkt“, sagt Vierck. Die Zusammenarbeit mit dem Institut und der Akademie der Wissenschaften Tschechiens soll nach der Stiftungsgründung noch professioneller werden.

Im Garten gibt es 30 Grassorten, viele Stauden, Blumen und Obstbäume. | Foto: Susanne Schilp
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Apropos: Die Gründung wurde ebenfalls von Vierck angestoßen. Es sei in den vergangenen Jahren rund um den Garten so viel gebaut worden, dass seine Angst um den Fortbestand des Gartens wuchs, erzählt er. Als er vor drei Jahren beim Bundeswettbewerb „Europäische Stadt – Wandel & Werte“ für sein Engagement mit 10 000 Euro belohnt wurde, war die Idee für eine Stiftung geboren und der finanzielle Grundstein dafür gelegt. „Bald gehört der Garten sich selbst“, so Vierck.

Der Comenius-Garten ist in der Regel ab 12.30 Uhr zugänglich. Tipp: Das Tor zum Grünen öffnet sich nach dem Drücken des kleinen silbernen Knopfes neben dem Knauf. Weitere Informationen über den E-Mail-Kontakt comenius-garten@t-online.de und unter Tel. 686 61 06.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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