Ein Platz in Niederschönhausen erinnert an das couragierte Ehepaar Selma und Paul Latte

Jens-Holger Kirchner enthüllte gemeinsam mit Selma Lattes Großnichte Eva Seker und weiteren Zeitzeugen das Straßenschild. | Foto: Bernd Wähner
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Niederschönhausen. Die kleine Grünfläche an der Ecke Charlotten- und Beuthstraße heißt jetzt Selma-und-Paul-Latte-Platz.

Im Beisein von etwa 70 Bürgern nahm Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger-Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen) die Platzbenennung vor. Bei der Enthüllung des Schildes wurde er von den Initiatoren der Benennung, Gudrun Schottmann und Christof Kurz, der Großnichte Selma Lattes, Eva Seker sowie weiteren Zeitzeugen unterstützt. Damit jeder weiß, warum der Platz nach dem Ehepaar benannt wurde, ist eine Gedenktafel aufgestellt worden. Deren Text wurde in Zusammenarbeit von Bezirksmuseum Pankow und der Historikerin Dr. Verena Buser erarbeitet.

In seinem Grußwort zur Platzbenennung würdigte Berlins Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten, Tim Renner, ausdrücklich das bürgerschaftliche Engagement der Initiatoren. Wie es dazu kam, berichtet Gudrun Schottmann: „Im November 2013 erfuhren wir vom Leiter der Stolpersteingruppe Pankow, dass das Mehrfamilienhaus, in dem wir seit 2001 wohnen, früher dem jüdischen Flaschenfabrikanten Paul Latte und seiner Frau Selma gehörte.“ Eine Radioreportage des RBB über das Ehepaar Latte und die auf dem Gelände ihrer Flaschenfabrik befindliche Hachschara-Einrichtung regte sie und Christof Kurz an, mehr über das Schicksal des Ehepaares herauszufinden.

Die Hachschara-Einrichtung war eine Ausbildungsstätte, in der junge Juden in der NS-Zeit auf ihre Emigration vorbereitet wurden. Die Einrichtung bestand aus Lehrwerkstätten, einem großen Garten und Wohnbaracken für junge Frauen und Männer. Wertvolle Informationen erhielten die beiden Initiatoren aus dem Buch „Jüdische Lebenswege in Pankow“ von Inge Lammel. Außerdem erfuhren sie von zwei Stolpersteinen in Hermsdorf, die an Selma und Paul Latte erinnern. Dort mussten sie zwangsweise vor ihrer Deportation wohnen. Gudrun Schottmann und Christof Kurz stellten aber fest, dass das Schicksal der Lattes und die Geschichte der Hachschara-Einrichtung in Niederschönhausen und Pankow nahezu unbekannt waren.

Deshalb beantragten sie im März 2014 den kleinen Platz neben dem ehemaligen Fabrikgelände nach Selma und Paul Latte zu benennen. „Während unserer zweieinhalbjährigen Recherche konnten wir einiges in Erfahrung bringen“, berichtet Christof Kurz. So kamen die Initiatoren zum Beispiel mit Bernard Grunberg, einem ehemaligen Teilnehmer der Hachschara (Tauglichmachung), mit Selma Lattes Großnichte Eva Seker und mit Dennis Kew, dem Sohn des einstigen Leiters der Hachschara in Kontakt.

Paul Latte (1878-1943) war Flaschenhändler. Er hatte seinen Betrieb in der Buchholzer Straße 23-31. Dort stellte er Anfang 1934 dem Jugendpflegedezernat der Jüdischen Gemeinde Berlin einen Teil seines Fabrikgeländes für eine Ausbildungswerkstatt für junge Juden zur Verfügung. Mit seiner Frau Selma (1876-1943) musste er 1938 aber in ein „Judenhaus“ in Hermsdorf ziehen. Von dort aus wurden beide am 13. Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo sie verstarben.

Seit Januar 2016 arbeitet die Historikerin Dr. Verena Buser das Leben der Lattes und ihrer Fabrik auf. Geplant ist, dass noch in diesem Jahr eine Broschüre über sie veröffentlicht wird. Begleitend dazu findet in diesem Jahr auch ein Schulprojekt am nahe gelegenen Max-Delbrück-Gymnasium statt. BW

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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