Technikgeschichte bewahrt
Der Industriesalon Schöneweide besteht seit zehn Jahren

Der frühere WF-Ingenieur Winfried Müller an einer in seinem Betrieb gebauten Fernsehkamera. | Foto: Ralf Drescher
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Bis 1990 war Oberschöneweide durch die Elektroindustrie geprägt, rund 25 000 Menschen arbeiteten in den Betrieben entlang der Wilhelminenhofstraße. Fast alle Firmen sind Geschichte – die seit zehn Jahren im „Industriesalon“ bewahrt wird.

Wer erinnert sich noch an das Werk für Fernsehelektronik (WF), das Kabelwerk Oberspree (KWO) und das Transformatorenwerk Oberschöneweide? Sicher viele. Vielleicht haben Sie, Ihre Eltern oder Großeltern sogar dort gearbeitet. Winfried Müller (84) ist einer von ihnen. 1959 hat er als Elektroingenieur im WF angefangen, in der anwendungstechnischen Versuchsstelle. Bereits in den letzten Jahren der DDR haben Müller und einige Kollegen Firmengeschichte bewahrt. „Kollegen, die in den Ruhestand gingen, haben uns oft alte Unterlagen oder Produktmuster hinterlassen. In der Wendezeit wurde daraus die Ausstellung ,Technik im Turm' die durch ABM-Mitarbeiter betreut wurde“, erzählt Winfried Müller. Drei Jahre lang standen im kleine Museum im Behrens-Bau riesige Senderöhren, kleine Sender für Wetterraketen oder den ersten Mikrowellenherd der DDR. Weil Samsung kein Interesse an der Geschichte seines Vorgängers WF hatte, landete später alles im Keller. Ein früherer WF-Mitarbeiter und Begründer des Unternehmens Silicon Sensor – heute First Sensor – kaufte die Sammlung schließlich. Pläne, sie in seiner Firma auszustellen, zerschlugen sich jedoch. Das erfuhr Susanne Reumschüssel, eine frühere Kamerafrau des SFB, die vor Ort Interviews mit lokalen Akteuren machte. „Sie hat dann alles in Bewegung gesetzt, um der Sammlung eine Heimat zu verschaffen“ sagt Winfried Müller. Der Eigentümer der Reinbeckhallen stellte ihr schließlich Räume zur Verfügung.

Inzwischen dokumentiert das vor zehn Jahren gegründete Museum „Industriesalon Schöneweide“ – Träger ist der gleichnamige Verein – auch die Geschichte anderer Firmen am Standort, darunter TRO und KWO. Und immer wieder geben frühere Mitarbeiter Erinnerungsstücke ab. Darunter sind auch selbst gebaute Konverter, die Ende der 60er-Jahre das ZDF in ostdeutsche Wohnzimmer brachte. Oder der berüchtigte „Russentod“, eine elektronische Bastelei. „Das war ein Sperrkreis, mit der russische Störungen des Westfernsehen ausgeblendet wurden. Der kam zwischen Antenne und Fernseher und sicherte ungetrübten Empfang. Viele Laien, aber auch Rundfunkmechaniker, haben diese Geräte damals gebastelt“, erzählt Winfried Müller.

In der Ausstellung sind außerdem Teile eines Senders zu sehen, mit dem früher von Britz aus der RIAS weit in die DDR strahlte. Und das östliche Pedant, ein Störsender. Der wurde im WF gefertigt und sollte den Empfang des RIAS in den Bezirken der DDR verhindern. In Berlin musste die DDR auf Störungen verzichten, weil der RIAS dann auch im Westen der Stadt gestört worden wäre.

Vom 6. bis 13. Oktober wird der zehnte Geburtstag des „Industriesalons“ gefeiert, mit mehreren Ausstellungen, bei denen Schätze aus dem WF-Fotoarchiv zu sehen sind. Außerdem gibt es Führungen, Schaubasteln des Repair-Cafés, eine Fototour und ein Salongespräch zur Entwicklung des Standorts. Geöffnet ist der „Industriesalon“ Reinbeckstraße 9, Dienstag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, Spenden sind sehr willkommen.

Infos unter www.industriesalon.de

Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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