„Wir wollen keinen bösen Strafvollzug“
Der Berliner Vollzugsbeirat setzt sich für zeitgemäße Haftbedingungen ein
Ehrenamtliche Beiräte in Justizvollzugsanstalten gibt es in Deutschland schon seit über 100 Jahren. Sie stehen der Anstaltsleitung, den Bediensteten und den Gefangenen als Ansprechpartner zur Verfügung. In der Hauptstadt gibt es darüber hinaus – bundesweit einmalig – eine koordinierende übergeordnete Stelle, den Berliner Vollzugsbeirat (BVB).
Das seit 1979 bestehende Gremium setzt sich aus den Vorsitzenden der Beiräte der acht Berliner Justizvollzugsanstalten sowie aus Vertretern der Öffentlichkeit zusammen. Es befasst sich mit grundlegenden Vollzugsfragen aller Berliner Anstalten, berät den Senat, unterbreitet Vorschläge für Gesetzesänderungen, reicht Petitionen ein, vermittelt zwischen den Beiräten und Anstaltsleitungen.
Dr. Olaf Heischel, seit 1999 Vorstandsvorsitzender des BVB, steht mit ganzem Herzen hinter seiner freiwilligen Tätigkeit. „1989 wurden neue Mitglieder für den BVB gesucht“, erinnert sich der Rechtsanwalt. „Schon 1984 habe ich Gesprächsgruppen mit Gefangenen in der JVA Tegel durchgeführt. Der Strafvollzug hat mich schon immer interessiert, deshalb habe ich das Ehrenamt gerne angenommen und mache das bis heute mit großer Freude.“
Die Idee von Beiräten in Gefängnissen leitet sich ursprünglich aus der christlich geprägten Vorstellung ab, dass auch Straftäter ein Seelenheil haben, das gerettet werden muss. Die Realität im Strafvollzug sah jedoch zunächst anders aus, war anfangs geprägt von teils langen Einschlusszeiten in baulich sehr beengten Zellen. Angebote wie psychologische Betreuung und Weiterbildung gab es bis in die 80er-Jahre hinein kaum.
Essen ist auch heute das klassische Dauerthema
Unter anderem die Arbeit des BVB trug dazu bei, dass sich inzwischen einiges geändert hat. „Zwar ist das Essen immer noch das klassische Dauerthema, aber wir konnten in vielerlei Hinsicht etwas dafür tun, die Haftbedingungen zu verbessern“, sagt Heischel. Dabei solle nicht der Irrtum entstehen, dass der Beirat den Sinn des Strafvollzugs oder gar die verhängten Strafen infrage stelle. Vielmehr gehe es darum, den Freiheitsentzug menschenwürdig zu gestalten. „Zeitgemäße Haftbedingungen sollten der Maßstab unserer Zivilisation sein“, lautet das Credo des BVB-Vorstands.
Konkrete Beispiele für kleine Fortschritte gibt es viele und prägen die tägliche Arbeit der Beiräte. Da ist die Organisation von Weiterbildungskursen zum Umgang mit neuen Medien, die oft vielen Insassen unbekannt sind. Dann sind bauliche Veränderungen in veralteten Gebäuden nötig. Und wenn wieder mal ein besonders heißer Sommer den Aufenthalt in den Zellen zur Tortur werden lässt, kümmern sich die Beiräte um die Beschaffung von Ventilatoren. Dass bessere Haftbedingungen in Kombination mit Resozialisierung letztlich sehr wirkungsvoll für die Sicherheit der Gesellschaft sind, davon sind die Ehrenamtlichen des BVB überzeugt. Olaf Heischel bringt die Motivation seiner Mitstreiter auf den Punkt: „Wir wollen keinen bösen Strafvollzug!“ Dass er damit richtig liegt, zeigt schon allein die Auszeichnung seiner engagierten Arbeit mit dem Bundesverdienstkreuz, verliehen für seine Verdienste im Berliner Strafvollzug.
Ehrenamtliche Mitstreiter gesucht
Wer sich für eine Tätigkeit als Anstaltsbeirat interessiert, kann sich direkt an den BVB wenden. Der hilft auch bei der Vermittlung einer weiteren Form des ehrenamtlichen Engagements, der sogenannten Vollzugshelferschaft. Mit Besuchen, Briefwechseln oder Hilfe bei behördlichen Angelegenheiten werden die Gefangenen unterstützt. Und mehr noch: „Allein wieder die Sprache von ‚draußen‘ zu hören statt den ewigen ‚Knastjargon‘ kann für einen Gefangenen etwas Besonderes sein“, sagt Olaf Heischel.
Weitere Informationen und den Kontakt zum BVB findet man im Internet unter www.berliner-vollzugsbeirat.de.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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