Im Bezirk wachsen über 200 Kinder bei Pflegeeltern auf
In Reinickendorf haben derzeit 213 Kinder in 129 Pflegefamilien ein neues zu Hause gefunden. Es gibt viele Gründe, warum Kinder nicht in ihren Herkunftsfamilien bleiben können: Wenn die leiblichen Eltern nicht in der Lage sind, sich angemessen um sie zu kümmern. Wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Wenn ein Elternteil krank ist oder längere Zeit zur Kur muss. Reicht keine familienunterstützende Hilfe vom Jugendamt aus, ist eine Fremdunterbringung erforderlich, entweder in einer Pflegefamilie oder im Heim. Pflegeeltern können maximal drei Kinder aufnehmen und sollten nicht älter als 63 Jahre sein. Neben finanzieller bekommen die Pflegeeltern auch anderweitige Unterstützung, zum Beispiel in Form von Schulungen. Ehepaare, aber auch unverheiratete oder gleichgeschlechtliche Paare sowie Alleinerziehende können Pflegekinder aufnehmen. Weitere Voraussetzungen sind gesicherte wirtschaftliche Verhältnisse, genügend Wohnraum und die Motivation, auch ein schwieriges Kind aufzunehmen. Familien können sich beim Verbund für Pflegekinder unter 49 87 93 26 melden, auf www.horizonte.biz/pflegeeltern informieren oder an einer Infoveranstaltung des Trägers "Familien für Kinder" teilnehmen. Kontakt unter 210 02 10.
Es ist kurz nach drei Uhr am Nachmittag. Oliver ist gerade aus der Schule zurück. Daheim in Reinickendorf warten Thomas und Kerstin Jander schon auf ihn. Die beiden sind seine Pflegeeltern. Bei ihnen fand Oliver nicht nur ein neues zu Hause, sondern auch eine neue Familie.
Vor 14 Jahren entschloss sich das Ehepaar, das selbst drei eigene Kinder hat, ein Pflegekind aufzunehmen. Dass Pflegeeltern gesucht werden, erfuhren die Janders auf einem Infoabend. "Wir dachten zunächst an eine Kurzzeitpflege und wollten ursprünglich ein Mädchen", erzählt Kerstin Jander (51), die als Erzieherin die passende Ausbildung hatte. Sie bewarben sich beim Jugendamt und warteten. Zwei Jahre lang passierte nichts und die Janders rechneten nicht mehr wirklich mit einem Kind. Doch dann kam Oliver.
Zweieinhalb Jahre alt, braunes Haar, schmal, etwas schüchtern. "Er sah aus wie ein kleiner Harry Potter und wir haben uns sofort in ihn verliebt", erinnert sich Thomas Jander. Olivers Mutter hatte sich beim Jugendamt gemeldet. Sie war mit ihrem Sohn überfordert und brauchte Hilfe. Oliver kam erst stundenweise zu den Janders, dann übers Wochenende und schließlich ganze vier Wochen, um sich einzugewöhnen.
Viel Kraft und Geduld
"Oliver passte gut in unsere Familie und hat sich schnell eingelebt", erzählt Kerstin Jander. Auch wenn er ein schwieriges Kind gewesen sei.
Kaum auf der Welt, braucht er schon als Baby einen Entzug. Er hatte Probleme mit seiner Motorik, war emotional unausgeglichen und als Grundschüler aggressiv, berichtet ihr Ehemann. Aber gut in der Schule war Oliver.
Heute ist er 15 Jahre alt und liebt die Janders wie seine leiblichen Eltern. Er besucht die 10. Klasse und will später "mal was Soziales machen". Ein Praktikum als Physiotherapeut hat er schon absolviert. Ihren Oliver wollen die Janders nicht mehr missen. Auch wenn sie es als Pflegeeltern nicht immer leicht hatten.
"Man braucht viel Kraft und Geduld und manchmal ist es auch ein Kampf gegen Windmühlen", sagt Thomas Janders, der 51-Jährige findet, dass Pflegeeltern viel mehr selbst entscheiden sollten als sie dürften. "Jedes Pflegekind hat seine eigene Geschichte und bringt einen Rucksack voller Erfahrungen mit. Das muss man wissen", ergänzt seine Ehefrau. Schließlich sei so ein Kind nicht umsonst in einer Pflegefamilie.
Oliver lebt nun schon seit zwölfeinhalb Jahren bei den Janders. "Wir sind eine richtige Familie, mit allem, was dazu gehört", sagen seine Pflegeeltern. Bis Oliver volljährig ist, bleibt er bei der Erzieherin und dem Bürokauffmann - beide sind inzwischen Frührentner - in Dauerpflege.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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