Die Gewalt auf den Fußballplätzen reißt nicht ab

Spieler akzeptieren die Entscheidung des Schiedsrichters, hier Lutz Meyer, nicht und diskutieren mit ihm. | Foto: Nittel
  • Spieler akzeptieren die Entscheidung des Schiedsrichters, hier Lutz Meyer, nicht und diskutieren mit ihm.
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Berlin. Es war der 13. Oktober 2012, ein Pokalspiel der 3. Herren zwischen dem SFC Friedrichshain und dem SC Staaken, als ein Spieler plötzlich beide Fäuste in den Rücken von Schiedsrichter Manfred Küßner rammte. Der zeigte dem Übeltäter die Rote Karte und brach die Partie ab.

Der 62-Jährige, der für Concordia Wilhelmsruh aktiv und seit 35 Jahren mit Leib und Seele Fußball-Schiedsrichter ist, hat die Pfeife aber nicht an den Nagel gehängt: „Ich lasse mir mein Hobby von Einzelnen nicht kaputt machen. Schiedsrichter zu sein macht mir einfach viel zu viel Spaß.“ Allerdings empfand er die Strafe des Sportgerichts als nicht angemessen: „Der Spieler wurde für ein paar Wochen gesperrt. Außerdem war die Verhandlung kurz vor der Winterpause, sodass er im Februar 2013 schon wieder spielen durfte. Das habe ich bis heute nicht verstanden.“ Küßner plädiert für härtere Strafen: „Das Sportgericht könnte eine Sperre von zum Beispiel zwei Jahren ansetzen, die der Übeltäter dann durch Sozialstunden und Anti-Gewalt-Programme verringern könnte.“

Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV), hält die Strafen dagegen für angemessen: So wurden in der Vergangenheit Spieler, die einen Schiedsrichter brutal attackierten, lebenslang und über die Verbandsgrenzen hinaus gesperrt. Um die Gewalt einzudämmen, setzt Schultz auf Prävention. In diesem Bereich ist der BFV schon seit Jahren mit zahlreichen Maßnahmen und Schulungen sehr aktiv. Mit der Aktion „Zeit zum Nachdenken“ im Oktober 2011 hatte man jedes Spiel für fünf Minuten unterbrochen, um allen Beteiligten zu vermitteln: ohne Schiedsrichter geht es nicht. Rund 34.000 Spiele richtet der BFV in einer Saison aus. In der Spielzeit 2012/2013 mussten 84 davon abgebrochen werden – die meisten aufgrund von Gewalt. In den zurückliegenden Jahren gab es ähnlich viele Spielabbrüche – der Schnitt seit der Saison 2007/2008 liegt bei 82 Partien.

Erstaunlich aber ist, dass in Berlin im Gegensatz zu den meisten anderen Landesverbänden die Zahl der Schiedsrichter zuletzt sogar leicht anstieg. Waren es 2012 noch 1103 Referees, sind es heute 1125. Bei rund 1600 Spielen, die der BFV pro Woche ausrichtet, sind das aber immer noch zu wenig, um alle Partien zu besetzen. Deshalb müssen speziell im Jugendbereich immer noch Betreuer und Trainer zur Pfeife greifen.

Alle Beteiligten sind sich einig, dass verbale Entgleisungen und körperliche Gewalt auf dem Sportplatz ein gesellschaftliches Problem sind. Oft dient der Fußball als Ventil für den Umgang mit privaten oder beruflichen Sorgen. Hinzu kommen übertriebener Ehrgeiz von Eltern und Betreuern sowie die fehlende Zivilcourage von Zuschauern, dem motzenden Nebenmann einfach mal Einhalt zu gebieten. All das lässt sich unter einem Stichwort zusammenfassen: fehlender Respekt.

„Wir sind nicht der Reparaturbetrieb dieser Gesellschaft“, sagt Bernd Schultz und stellt klar, dass Vereine und Verbände allein überfordert sind, das Gewaltproblem in den Griff zu bekommen. „Was nicht heißen soll, dass wir resignieren.“

Michael Nittel / min
Autor:

Michael Nittel aus Reinickendorf

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