Im Frühjahr 1945 wurden im Jagen 40 Kriegsopfer bestattet

Wolfgang Stadthaus hat die Geschichte des Notfriedhofs Karolinenhof erforscht. Im Hintergrund die letzte noch gepflegte Grabstelle. | Foto: Ralf Drescher
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Schmöckwitz. Der Jagen 40, nur wenige Schritte von der Einmündung der Schappachstraße ins Adlergestell, ist ein gewöhnlicher Stadtwald. Fast nichts deutet darauf hin, dass hier Menschen vor 70 Jahren ihre letzte Ruhe gefunden haben.

In den 70er-Jahren wurde der kleine Friedhof, auf dem 108 Menschen bestattet sind, stillgelegt. "Als ich 1971 nach Karolinenhof zog, habe ich die Gräber noch gesehen. Später wurden die Steine abgeräumt", erinnert sich Wolfgang Stadthaus (76), ein Anwohner. Seitdem hat ihm das keine Ruhe mehr gelassen. Mit Konfirmanden der Evangelischen Gemeinde Schmöckwitz hat er die Geschichte erforscht. Im Friedhofsamt des Bezirks fanden sich sogar noch die Karteikarten mit den Namen der Toten.

Die Begräbnisstätte war kurz vor Kriegsende 1945 als Notfriedhof Karolinenhof angelegt worden. Da es in jenem Frühjahr ziemlich warm war, mussten zivile Kriegsopfer schnell unter die Erde. Als erste wurde am 5. Mai 1945 die 68 Jahre alte Klara Lindenzweig aus dem Pretschener Weg beigesetzt. Ihr folgten in den nächsten Monaten weitere 107 Verstorbene. Letzter Toter im Wald am Adlergestell war Jürgen Bastmann am 26. November 1946. Nicht alle sind durch Bomben oder Granaten gestorben, wie Wolfgang Stadthaus herausgefunden hat. "Auf dem Friedhof liegen auch 20 Menschen, die sich, das Ende der NS-Diktatur vor Augen, das Leben genommen haben", sagt er. Einen weiteren nur zeitweise genutzten Friedhof gab es kurz nach dem Zweiten Weltkrieg an der Schmöckwitzer Kirche. Auch er wurde noch zu DDR-Zeiten stillgelegt.

Gemeinsam mit der Konfirmandengruppe hat Wolfgang Stadthaus die Friedhofsfläche in Karolinenhof gesäubert. Die äußeren Begrenzungen hat er vermessen und durch farbige Markierungen kennzeichnen lassen. Wo einst die Gräber waren, zeugen Vertiefungen von versuchten Grabschändungen der Vergangenheit. Einzig an einer Stelle findet der Spaziergänger ein kleines Kreuz und ein paar Blumen. "Das ist das Grab von Rudolf Jordy. Noch immer kommen seine jetzt 87 und 88 Jahre alten Töchter regelmäßig aus Charlottenburg und pflanzen frische Blumen", erzählt Wolfgang Stadthaus.

"Der Friedhof ist Teil der Geschichte unserer Siedlung. Und die sollte für immer bewahrt werden", sagt er, wenn man ihn zum Grund seines Engagements fragt. Deshalb hat er auch dafür gesorgt, dass am 5. Mai um 18 Uhr im Wald auf dem früheren Friedhofsgelände eine Tafel mit der Geschichte und dem Namen der Toten aufgestellt wird. Besucher sind dazu eingeladen. Außerdem hat er ein Buch geschrieben, in dem die Geschichte aufgearbeitet wird. Das Buch "Versunkene Friedhöfe in Karolinenhof und Schmöckwitz" wird nach der Einweihung der Gedenktafel ab 19.30 Uhr im Gemeindesaal, Alt-Schmöckwitz 1, vorgestellt. Es kann für 7,50 Euro gekauft werden.

Ralf Drescher / RD
Autor:

Ralf Drescher aus Lichtenberg

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