Schrippenkönig von Schöneberg: der Maler Friedrich Schröder-Sonnenstern

Im Hinterhaus der Nummer 14 in der Crellestraße wohnte der Maler Friedrich Schröder-Sonnenstern bis 1964. | Foto: KEN
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„Dreifacher Mondweltmeister-Universalfuhrbetrieb“, „Staatszirkusnarrenschiff“, „Die mondmoralische Künstlerknochenverehrung“: Seltsame Titel wie diese hat der Künstler seinen Werken gegeben. Er selbst wurde „Schrippenkönig von Schöneberg“ oder „Sonnenkönig Eliot I.“ genannt. Erinnert sei an Friedrich Schröder-Sonnenstern.

Die Kunstszene, vor allem die französische, bejubelt ihn als „größten in Deutschland lebenden Maler“ und „bahnbrechenden Avantgardisten“. Friedrich Schröder-Sonnenstern(1892-1982) malt vermeintlich naiv und roh Dämonen, Hexen, Engel, Propheten, Zauberer, Okkultes und Erotisches bis Zotiges. Er gibt seinen Bildern skurrile Namen und schreibt auf ihrer Rückseite Sinnsprüche. Diese philosophischen Erläuterungen machen deutlich: Friedrich Schröder-Sonnenstern mag keine Autoritäten. Er verachtet die Zivilisation.

Zu den Fans des Schönebergers gehört der amerikanische Skandalautor Henry Miller, nennt ihn „ein Genie“. 1959 hat er eine Ausstellung in Paris. Es ist der Beginn eines ungeahnten Höhenflugs. Käufer seiner Werke sind unter anderen Picasso, Max Ernst und der spätere französische Staatspräsident Georges Pompidou. Das befeuert die Verkaufszahlen. Andere fürchten ihn als „Wüstling“ und „Bürgerschreck“.

1964 dann die Wende im denkbar schlimmsten Sinn. Es ist das Jahr des Absturzes für Friedrich Schröder, so der eigentliche Name des in Ostpreußen geborenen Sohnes eines Postangestellten. Nach einem Leben, das beinahe nichts anderes kennt als Abstürze und Katastrophen.

Er ist erst 14 Jahre alt, da lassen seine Eltern ihn wegen Landstreicherei und Diebstahl in eine Erziehungsanstalt einweisen, ist im Biographischen Archiv der Psychiatrie zu lesen. Eine Gärtnerlehre bricht er ab. Die Ärzte in der Irrenanstalt von Allenberg diagnostizieren „dementia praecox“, vorzeitige Demenz. Heute würde man das Krankheitsbild als Schizophrenie bezeichnen. Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er kurz teilnimmt, wird Schröder-Sonnenstern entmündigt. Er flieht nach Berlin, nach Schöneberg. Er wirktals Heiler und Wahrsager, schart Leute um sich, Bewunderer. Er verteilt Brötchen an Bedürftige; daher sein Spitzname „Schrippenkönig“.

Bald ist er wieder Insasse einer Heilanstalt. Er beginnt zu zeichnen. Drei Jahre sitzt er in Kiel ein. Arbeitet in einem Luftwaffendepot, kommt in eine Arbeitslager. Ab 1942 ist er wieder in Berlin. Dann ist der Krieg aus. Friedrich Schröder-Sonnenstern greift zu Buntstiften, entwirft Pamphlete und erlebt 1950 seinen Durchbruch als gefeierter Künstler.

14 Jahre geht das gut – bis zu besagter „Wende“. 1964 stirbt Schröder-Sonnensterns Lebensgefährtin Martha Möller. Er muss aus der Wohnung in der Crellestraße 14 raus. Er wird wohnungslos. Er wird zum Alkoholiker. Wieder wird er in eine Nervenklinik eingeliefert. Damit nicht genug: Kopisten und Fälscher bemächtigen sich seiner Arbeiten. Der Kunstmarkt verzeiht den Absturz nicht und lässt ihn fallen.

Friedrich Schröder-Sonnenstern zieht sich zurück. Er verarmt völlig, stirbt 1982 fast 90-jährig und wird auf dem Zwölf-Apostel-Kirchhof beigesetzt. Er wird vergessen und erst mit der 55. Biennale in Venedig 2013 wiederentdeckt.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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