Eine Schatzkammer voll mit Geschichten
Buchladen Bayerischer Platz bekommt zum dritten Mal den Buchhandelspreis

Nochmal will sich Christiane Fritsch-Weith wohl nicht für den Buchhandelspreis bewerben. "Jetzt sind andere dran", sagt sie.  | Foto: Ulrike Kiefert
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  • Nochmal will sich Christiane Fritsch-Weith wohl nicht für den Buchhandelspreis bewerben. "Jetzt sind andere dran", sagt sie.
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Dostojewski, Atwood, Houellebecq, Lunde, Follett, Seethaler, Harari. Sie stehen bei Christiane Fritsch-Weith in den Regalen. Seit 45 Jahren führt die Schönebergerin mit Leidenschaft den Buchladen Bayerischer Platz. Dafür bekam sie jetzt zum dritte Mal den Deutschen Buchhandelspreis.

Eichenholzregale voller Buchrücken, gedämpfter Teppich, gemütlicher Ohrensessel. Im Buchladen am Bayerischen Platz fühlt es sich an, als wäre man geradewegs in ein Wohnzimmer spaziert. „Wir sind klein“, sagt Christiane Fritsch-Weith. „Aber voller Köstlichkeiten.“ Die braucht es auch, so kurz vor Weihnachten. Da müssen es ganz besondere Genüsse sein. Denn Lesen stärkt die Seele, das wusste schon Voltaire.

Doch was die Buchhändlerin meint, sind nicht nur die Neuerscheinungen und Klassiker, die klugen Essays und witzigen Stories, die so zahlreich Regale und Thementische füllen. Es ist die Leidenschaft, mit der Christiane Fritsch-Weith den Buchladen führt, ihre Begeisterung für Literatur und ihre aufmerksame Interessiertheit am Kunden. Selbst für Menschen, die schon länger nicht gelesen haben, hat sie immer einen Tipp parat, nicht zu dick und nicht zu schwer.

Zweimal im Jahr schreibt Christiane Fritsch-Weith ihre persönliche Bestseller-Liste. Zur Weihnachtszeit stehen 24 Titel darauf. „Der verlorene Sohn“ von Olga Grjasnowa zum Beispiel. Oder Etgar Kerets „Tu's nicht“, witzige Stories aus Israels. „Beide sind ein Lese-Muss.“ Ihre Buchempfehlungen gibt’s nicht nur im Laden, sondern auch im Web. Als Video. „Da kann man sich gemütlich auf's Sofa setzen, am besten mit einem Crémant, und mir zuhören.“ Dazu organisiert die Schönebergerin regelmäßig Lesungen, auch mit Autoren wie Monika Maron oder Jakob Hein, dem Sohn von Christoph Hein. Und jeden Donnerstag bringt sie den „Literatur-Kurier“ heraus, mit Neuigkeiten aus dem Kiez und vom Büchermarkt.

Die Antwort auf die Frage, wie die Literatur zum Leser kommt, ist für Christiane Fritsch-Weith fundamental – und der Schlüssel zum Erfolg. Denn wer zufriedene (Stamm)Kunden hat, der kann auch als kleiner Buchladen gegen große Ketten bestehen. Das gilt um so mehr in Krisenzeiten. Als im Oktober die Frankfurter Buchmesse wegen Corona ausfiel, organisierte sie spontan eine eigene Buchmesse – mit Kanada als Gastland und literarischen Neuheiten aus aller Welt. „Bücher sind wie Lebensmittel“, sagt Fritsch-Weith.

Literatur für jedes Alter

Sie führt aber nicht nur Erwachsenenliteratur. Acht Regale sind nur für Kinder und Jugendliche bestimmt. Und die Buchhändlerin weiß, was die gern lesen. Bei Mädchen ist „Lotta-Leben. Den Letzten knutschen die Elche“ gerade sehr beliebt, „Greggs Tagebuch“ bei den Jungen. „Wir pflegen jedes Lesealter. Von den Kleinsten, die gerade mal Bagger, Bagger sagen können, bis zu den 20-Jährigen.“

Letztere stehen mitunter ein wenig ratlos vor den vollen Bücherregalen, vor allem die jungen Männer. „Sie kommen dann direkt zu mir und sagen: ‚Frau Fritsch-Weith, Sie wissen doch genau, was ich lesen will‘.“ Für die Buchhändlerin ist dieses Vertrauen das schönste Kompliment. „Das darf nicht enttäuscht werden.“ Das tut es für gewöhnlich auch nicht. Denn Christiane Fritsch-Weith, die im Kiez nur „meine Buchhändlerin“ genannt wird, kennt sich aus mit Literatur. Seit 45 Jahren führt sie den Buchladen nun schon.

1919 vom jüdischen Anarchisten, Autor, Verleger und Buchhändler Benedict Lachmann gegründet, ist der von Beginn an ein Treffpunkt für Literaturliebhaber. Albert Einstein, Curt Riess, Paul Marcus und andere Prominente wohnen in der Nähe. Der Buchladen übersteht Krieg, Nachkriegszeit und die Teilung der Stadt. 1975 kommt eine junge Buchhändlerin und kauft das Geschäft: Christiane Fritsch-Weith. Sie schafft, dass der Buchladen Bayerischer Platz wieder wird, was er einmal war: eine aus dem Kiez nicht wegzudenkende Institution, ein Ruhepol in der quirligen Stadt, der immer da und verlässlich ist. Kurzum, ein Buchladen mit Mehrwert, für den Christiane Fritsch-Weith jetzt mit dem Deutschen Buchhandelspreis ausgezeichnet wurde. Zum dritten Mal. Den „Oscar“ für Buchhändler bekam sie 2015 und 2016 schon. „Eine große Ehre“, sagt sie. Für die Leser, die Bücher – und erst danach für sich selbst.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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