Sanierungsstau muss abgebaut werden: Interview mit Baustadtrat Jörn Oltmann

Jörn Oltmann und Corinna Lippert. | Foto: KEN
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Tempelhof-Schöneberg. In seine Aufgabe als Stadtrat hat Jörn Oltmann (50) schnell hineingefunden. Schließlich war der Betriebswirt und Sozialökonom zehn Jahre Fraktionsvorsitzender der Grünen in der BVV.

Berliner-Woche-Reporterin Karen Noetzel sprach mit ihm über Stadtentwicklung, Wohnungsbedarf, bezahlbare Mieten und den Sanierungsstau bei öffentlichen Gebäuden. Für das Thema Quartiersmanagement Schöneberger Norden hatte der Politiker die Bezirkskoordinatorin Corinna Lippert hinzugebeten.

Die Stadt braucht Wohnungen. Ein Zauberwort heißt „Nachverdichtung“, zum Beispiel am Mühlenberg.

Jörn Oltmann: Wir diskutieren mit der Gewobag gerade darüber, ob wir mit 150 Wohneinheiten umgehen können. Wenn wir eine hundertprozentige Abstimmung zwischen Senatsverwaltung, Gewobag und Bezirk haben, werden wir mit einem Werkstattverfahren auf die Anwohner zugehen. Das müssten wir noch in diesem Jahr hinkriegen. Der Prozess bis zur Baufertigstellung wird wohl dann die gesamte Wahlperiode umfassen.

Das Bauvorhaben an der Bautzener Straße mit 340 Wohnungen wirkte von außen wie ein Kampf gegen die Bürger.

Jörn Oltmann: Der Kiez gewinnt eigentlich durch die Nachverdichtung: einen Zugang zum S-Bahnhof, einen Fuß- und Radweg zum Gleisdreieckpark, über 600 Fahrradabstellplätze, Lärmschutz für den alten Baubestand. Im Übrigen glaube ich, dass die meisten Anwohner für das Bauvorhaben sind.

Und am ehemaligen Güterbahnhof Wilmersdorf mit geplanten 900 Wohungen?

Jörn Oltmann: Dort ist es dasselbe. Wir gewinnen eine Menge hinzu: attraktives Wohnen, zwei Stadtplätze, Spielplatz, Kita, Fuß- und Radwegeverbindung, ein autoarmes Gebiet.

Kann sich ein normalverdienender Haushalt die Mieten noch leisten?

Jörn Oltmann: Modernisierungsankündigungen machen mir schon Sorge. Es darf keine elfprozentige Umlage mehr geben. Sechs Prozent müssten auch reichen. Ich hoffe, dass wir nach den Bundestagswahlen zu geänderten Regelungen im Baugesetzbuch kommen.

Wie groß ist der Sanierungsstau an öffentlichen Gebäuden im Bezirk?

Jörn Oltmann: An Schulen liegt er bei 400 bis 500 Millionen Euro. Wir haben aber auch Freizeiteinrichtungen, Bibliotheken und Sportanlagen, die dringend saniert werden müssen. Wir führen eine Liste von prioritären, aber nicht finanzierten Baumaßnahmen und haben jetzt 170 Millionen Euro erreicht. Das sind Maßnahmen, die eigentlich sofort in Angriff genommen werden müssten. In dieser Wahlperiode will ich erreichen, dass wir den Sanierungsstau so abmildern, dass die Bevölkerung das wirklich spürt. Unser Ziel ist es, das Personal im Baubereich zu verdoppeln.

Gehören das Haus am Kleistpark und die Theodor-Heuss-Bibliothek dazu?

Jörn Oltmann: Das Haus am Kleistpark ist eine der dringenderen Maßnahmen der nächsten Jahre. Ich hoffe, dass wir die Sanierung in dieser Wahlperiode hinkriegen. In der Theodor-Heuss-Bibliothek werden wir die Terrasse attraktiver gestalten. Wir schaffen auch eine vernünftige Beleuchtung zur Bibliothek. Für 2017 haben wir die Sanierung des Sanitärbereichs dazwischen geschoben. Das war den Bibliotheksbesuchern schon lange nicht mehr zuzumuten. Der Aufzug wird wahrscheinlich erst im Frühjahr 2018 fertiggestellt sein. In diesem Jahr bewerkstelligen wir dazu die Planung und die Bauvergabe.

Demnächst wird das Quartiersmanagement im Schöneberger Norden aus der Förderung herausfallen. Was passiert danach?

Corinna Lippert: Wir sind mit der Verstetigung schon relativ weit. Der Präventionsrat ist ein gutes öffentliches Gremium. Die Pallassseum Wohnbauten KG war ein beispielhafter Partner in der Quartiersentwicklung. Sie hat sehr viel investiert. Vor drei Jahren hat die Gewobag die Kiezstube in der Steinmetzstraße eingerichtet. Vor Ort ist die Stadtteilkoordinatorin der Gewobag, vor allem aber unser Kooperationspartner, das Pestalozzi-Fröbel-Haus. Die Kiezstube ist Anlaufstelle für Outreach, die Streetwork für Kinder und Jugendliche machen. Der Mieterbeirat hält Sprechstunden ab. Solche Konstrukte müssen noch stärker unterstützt werden. Ich denke, die Gewobag müsste noch mehr bringen. Das Quartier hat sich seit 1999 sehr gut entwickelt. Aber wir haben immer noch ein Drittel Bewohner mit Transfereinkommen. Der Anteil der Arbeitslosen beträgt knapp 8,4 Prozent. Das finde ich viel.

Jörn Oltmann: Mit der Aufgabe des QM-Gebietes verlassen wir ein Stück weit den Bereich der Intervention und konzentrieren uns auf die Präventionsarbeit. Dazu gehört natürlich der Ausbau der Organisationseinheit für Sozialraumorientierte Planungskoordination. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften wie die Pallasseum Wohnbauten sind gefordert, dauerhaft Ansprechpartner zur Verfügung zu stellen.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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