100 Jahre Groß-Berlin
Stadt ist gut vorbereitet und ihr Bürgermeister Wegbereiter der neuen Einheitsgemeinde

Schönebergs Oberbürgermeister Alexander Dominicus (1873-1945) in einer Aufnahme von 1911. | Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg/Archiv
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  • Schönebergs Oberbürgermeister Alexander Dominicus (1873-1945) in einer Aufnahme von 1911.
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Für die über 22 Jahre selbständige Stadt Schöneberg kam die Bildung von Groß-Berlin nicht überraschend. Ganz im Gegenteil: Ihr höchster Repräsentant, Oberbürgermeister Alexander Dominicus, war ein Wegbereiter.

1911 hatte sich Alexander Dominicus erfolgreich um den OB-Posten in Schöneberg beworben. Und er wehrte sich nicht, als seine an Bevölkerung stark gewachsene Stadt im Frühjahr 1912 dem losen „Zweckverband Groß-Berlin“ beitrat. Absprachen gab es bei Verkehr, Bebauungsplänen und Freiflächen. Dem Verband gehörten Berlin, Charlottenburg, Wilmersdorf, Neukölln, Lichtenberg und Spandau sowie die Landkreise Teltow und Niederbarnim an.

Später wird Dominicus sagen, dass er den Zweckverband zwar „zunächst für das Richtige gehalten“ habe, „doch ist das nur eine Zweckmäßigkeitsfrage“. Mehr als ein „Übergang in die neue Zeit“ konnte er nicht sein.

Diskutiert wurde die Frage einer Einheitsgemeinde in Schöneberg schon früher; 1907 etwa. Dazu hielt der Liberale Verein am 20. März eine öffentliche Versammlung ab. Hauptreferent war der Berliner Stadtverordnete Hugo Preuß, später Hauptautor der Weimarer Verfassung und der erste Reichsinnenminister der Republik. Ein weiterer Redner war der Nationalökonom und Schöneberger Stadtverordnete Walter Voßberg.

Zehn Jahre später gründete Alexander Dominicus den „Bürgerausschuss Groß-Berlin“, die öffentliche Werbeplattform für das Projekt. Der Ausschuss forderte eine „Gesamtgemeinde“ in einem 20-Kilometer-Radius um Berlin. Jetzt komme es darauf an, „dass jedes einzelne Mitglied im Kreise seiner Freunde und Bekannten für unsere gemeinsame Sache Anhänger wirbt“, so Dominicus im Dezember 1917.

Die gemeinsame Sache war erfolgreich. Schöneberg wurde 1920 Teil der neuen Millionenstadt. Die alte Verwaltung führte die Geschäfte jedoch noch bis Ende März 1921. OB Dominicus wurde Innenminister einer Minderheitsregierung im Land Preußen und wechselte 1924 an die Spitze des Deutschen Turnerbunds und des Deutschen Luftfahrtverbands. Als ihn die Nazis 1933 aus den Ämtern gedrängt hatten, ging Alexander Dominicus, der gebürtige Straßburger, nach Freiburg im Breisgau. In Südbaden verbrachte er seinen Lebensabend. Am 18. Oktober 1945 starb er im Alter von 72 Jahren.

Zur Bildung des elften Bezirks der Spree-Metropole wurde Schöneberg mit Friedenau vereinigt, wodurch der Anteil an Beamten und Angestellten stieg, der der Arbeiter hingegen stark sank.

Es erwies sich als für die neue Bezirksstruktur sehr günstig, dass Schöneberg eigenständige Stadt gewesen war. Es besaß bereits eine eigene Verwaltung und Verwaltungsbauten. Schöneberg brachte ein Alters- und Pflegeheim in Deutsch-Wusterhausen mit, eine „Desinfektionsanstalt“, in der Kärntenerstraße 20/21 gelegen, eine „Volksbadeanstalt“ in der Ebersstraße, eine Volksbücherei und Lesehalle in der Eisenacher Straße 76 mit zwei Zweigstellen, zwei „Volksküchen“, zwei Friedhöfe, eine Stadtgärtnerei, einen Stadtpark, eine Müllbeseitigungsanlage, eine funktionierende Kanalisation mit Rieselgut in Deutsch-Wusterhausen, zwei Feuerwehrwachen, eine U-Bahn und – nicht zu vergessen: eine neuzeitlich eingerichtete Klinik, das 1903 bis 1906 gebaute Auguste-Viktoria-Krankenhaus an der Rubensstraße. Wenige Jahre nach der Eröffnung machte es Furore, als der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung, Walther Kausch, 1909 die weltweit erste Operation zur Entfernung von Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm durchführte. Schon als Stadt hatte Schöneberg insbesondere das Gesundheitswesen und die soziale Fürsorge gefördert.

Friedenau, ein halbes Jahrhundert lang selbstständige Gemeinde im preußischen Kreis Teltow, konnte mit einer Desinfektionsanstalt, einer Gemeindebücherei in der Albestraße 25/26, zwei Friedhöfen, einer Kanalisation einer freiwilligen Feuerwehr und einem Elektrizitätswerk dienen. Friedenaus Schulgebäude waren gut instand. Es gab viel Platz, um Sport zu treiben.

Die 66 Schöneberger Stadtverordneten und die 49 Friedenauer Gemeindeverordneten schrumpften in der neuen Bezirksverordnetenversammlung (BVV) auf 59 Verordnete zusammen. Es dominierten die rechtsbürgerlichen Kräfte, Deutsche Volkspartei, Deutsch-Nationale Volkspartei, Wirtschaftsvereinigung und eine sogenannte Neue Fraktion. Letztere stellte mit 29 Mitgliedern die stärkste Fraktion.

Der neue Bezirk Schöneberg profitiert von Groß-Berlin. Große Versicherungen bauen hier Hauptverwaltungsgebäude wie die Deutsche Krankenversicherungs AG in der Innsbrucker Straße 26-27. Große Geschäftshäuser wie das Kathreiner-Haus an der Potsdamer Straße entstehen. Der Wittenbergplatz, der Tauentzien und die Nürnberger Straße werden zu Zentren des Handels.

Schließlich blüht das Kulturlebenf. Erinnert sei nur an Erwin Piscator. Der Theaterintendant und Regisseur, einflussreicher Avantgardist der Weimarer Republik, inszeniert am Theater am Nollendorfplatz Ernst Tollers „Hoppla, wir leben“. Premiere wird am 1. September 1927 gefeiert.

Schönebergs Oberbürgermeister Alexander Dominicus (1873-1945) in einer Aufnahme von 1911. | Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg/Archiv
Der Lindenhof in einer Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1922. | Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg/Archiv
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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