Zu schmal, zu hoch, zu steil: Für behinderte Menschen wird Altstadt zum Hindernislauf

Sargon Lang notiert: Eberhard Lux und Rollstuhlfahrer Sven Franz kommen an dieser Stelle nicht rauf. | Foto: Ulrike Kiefert
4Bilder
  • Sargon Lang notiert: Eberhard Lux und Rollstuhlfahrer Sven Franz kommen an dieser Stelle nicht rauf.
  • Foto: Ulrike Kiefert
  • hochgeladen von Ulrike Kiefert

Spandau. Abschüssige Wege, hohe Bordsteine, stufige Geschäfte: Für Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte birgt die Altstadt viele Barrieren. Der Behindertenbeauftragte Sargon Lang und 20 Spandauer haben sie getestet.

Sie fallen Menschen, die gut zu Fuß sind, nicht sofort ins Auge. Aber trotzdem sind sie da: die Hindernisse und Stolperfallen. Die Altstadt Spandau ist voll davon. Sargon Lang, Spandaus Bezirksbeauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderung und rund 20 Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte, Gehörlose und Blinde haben sie bei einem Arbeitsspaziergang zum Reformationsplatz getestet. Mit dabei war auch Andreas Wunderlich vom Altstadtmanagement. Denn Ziel war es, die Hindernisse zu dokumentieren und Verbesserungen zu diskutieren. Warum? „Weil noch in diesem Jahr die Planungen für den Umbau des Reformationsplatzes beginnen und die sehen vor, den Platz so barrierefrei wie möglich zu gestalten“, klärte Andreas Wunderlich auf.

Rampe ja, Zutritt nein

Los ging der ungewöhnliche Rundgang am Seniorenklub an der Mauerstraße. Schon nach wenigen Metern gab es die ersten Hindernisse auf der Breite Straße: Stufen vor Geschäften, die Rollstuhlfahrern den Einkauf unmöglich machen. Die gab es während des gesamten Spazierganges immer wieder. Nicht alle Geschäfte haben einen stufenlosen Eingang oder feste Rampen. Zwar müsse die Barrierefreiheit spätestens nach einem Inhaberwechsel garantiert sein, informierte Sargon Lang. „Baulich geht das aber in der Altstadt nicht überall. Darum haben viele Geschäfte nur mobile Rampen als Notlösung.“ Wie die Altstadtapotheke zum Beispiel oder das Gotische Haus. Kurios: Das Sanitätshaus Breite Straße 24 hat zwar eine Rampe. Dafür ist aber die Eingangstür zumindest für elektrische Rollstühle zu schmal. Nur von Hand betriebene Geräte passen hindurch.

Auch Ampelkreuzungen hatte die Gruppe im Visier wie die an der Breite Straße Ecke Charlottenstraße. Dort fehlen ertastbare Leitstreifen, die sogenannten taktilen Platten. Blinde Menschen mit Langstock brauchen sie. „So weiß ich genau, wo an der Ampel ich hinüber muss“, sagte Eberhard Lux.

Nächste Station war der Marktplatz. Dort gibt es mittig schmale Treppen. Für die meisten sind sie kein Problem. Rollstuhlfahrer aber müssen sie umrunden, Gehbehinderte umlaufen. „Für mich ist das ein Umweg. Deshalb wünsche ich mir hier einen Handlauf“, sagte eine Frau. Notiert als böse Stolperfallen wurden auch mehrere abschüssige Stellen und die Kabel, die während der Marktzeit verlegt sind.

Vorbei am U-Bahnhof Altstadt, wo alle den fehlenden Fahrstuhl bemängelten, ging es dann zum Reformationsplatz. Dort hagelte es reichlich Kritik: Die Bordsteine zu hoch, die Bürgersteige zu schmal, die sandigen Brachflächen unbefahrbar und die Stühle vor dem Café hinderlich. Doch richtig gefährlich wurde es, wo einst die Freiherr-vom-Stein-Statue stand. Dort führt eine steile Rampe hinunter auf den Markt. „Wenn ich jetzt den Stuhl einfach rollen ließe, wäre das halsbrecherisch“, monierte Konrad Hickel. Auch Evelyn Borchert traute sich nicht hinunter und bremste lieber ab. Ebenso hinderlich ist für Rollifahrer das Kopfsteinpflaster. Konrad Hickel: „Im Herbst ist es rutschig, im Winter glatt. Und oft sind die Kanten unregelmäßig.“

Geldabheben ist schwierig

Nach gut einer Stunde war der Rundgang beendet. Rund 80 Barrieren hatte die Gruppe entdeckt, die nicht nur die Fortbewegung, sondern auch den Einkauf in der Altstadt schwierig machen. Fürs Geldabheben sind zum Beispiel viele Automaten-Bildschirme für Rollstuhlfahrer nicht erreichbar. Es fehlen selbst öffnende Türen und barrierefreie Nebeneingänge. Wild geparkte Fahrräder, Poller und Aufsteller versperren Bürgersteige und erschweren behinderten Menschen den Alltag. „Oft sind es nur Kleinigkeiten, die einer Barrierefreiheit im Wege stehen“, betonte Sargon Lang. Diese könnten häufig vergleichsweise einfach und ohne größeren Kostenaufwand beseitigt werden.

Doch was passiert jetzt mit den Hinweisen? „Das Altstadtmanagement Spandau fertigt ein Ergebnisprotokoll an und teilt dem Stadtplanungsamt die Hinweise mit“, informierte Sargon Lang. Somit können diese in die weitere Planung und Umsetzung des Förderprogramms „Städtebaulicher Denkmalschutz“ einfließen. Den Hut hat hier das Altstadtmanagement Spandau auf. Einige Kritikpunkte münden als neue Maßnahmen in den nächsten Aktionsplan „spandau inklusiv“. uk

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

49 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 242× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 209× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 126× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 236× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.569× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.