Musiker verlieren Proberäume
Aus für die Bandetage auf Eiswerder
Die Klangwelt beginnt hinter einer dicken Tür: die Stimmübungen eines Sängers sind zu hören. Beim weiteren Gang entlang des endlos langen Flurs dringen typische Probegeräusche einer Rockband durch die Wände. In den Räumen links und rechts stehen Instrumente. Einige Zimmer sind aber auch leer.
Willkommen in der Bandetage, einem Musikerrefugium mit rund 1100 Quadratmeter Gesamtfläche in einem der ehemaligen Fabrikgebäude auf der Insel Eiswerder. Das riesige Areal im Dachgeschoss war bisher Domizil für mehr als 30 Gruppen und Einzelkünstler. Formationen testeten hier zum ersten Mal ihre Bühnentauglichkeit, Auftritte wurden einstudiert, Musiker fanden in anderer Zusammensetzung zusammen. All dies ist in Kürze Vergangenheit. Ende Juli muss die Bandetage leer gezogen sein.
Er habe wirklich alles versucht, um das Aus abzuwenden, sagt Klaus Kolpack, Vermieter und zugleich Mieter der vielen Räume entlang des langen Flurs. Der Vertrag, den er zuletzt mit den Besitzern hatte, ließ auch eine schnelle Kündigung zu. Dennoch sei die Entscheidung der Eigentümer auch für ihn zu diesem Zeitpunkt überraschend gekommen, da von seiner Seite befürchtete Veränderungen von diesen in Abrede gestellt worden sein, sagt Klaus Kolpack.
Dabei habe es wiederholt Besuche von vermutlich Architekten gegeben, die die Bandetage in Augenschein nahmen. Auch wurden Parkplätze in der Umgebung der Immobilie kostenpflichtig und namentlich gekennzeichnet. Dadurch wurden die Stellflächen für die Musiker reduziert.
Klaus Kulpack war 17 Jahre Mieter und Vermieter des Dachensembles an der Eiswerderstraße. Dass es zu einem Proberaum und Treffpunkt von Klangkünstlern verschiedener Sparten wurde, sei vor allem seiner eigenen Vergangenheit als Musiker zu verdanken und dem Umstand, dass das Angebot an Proberäumen nicht gerade üppig und somit die Nachfrage groß war.
Zu den langjährigen Nutzern gehört die Spandauer Band "Reboot". Das Repertoire der Gruppe um Bassistin Andrea Wiemer und ihrem Ehemann und Gitarristen Jürgen Wiemer besteht vor allem aus Coversongs, von David Bowie über Sting bis AC/DC. Ungefähr die Hälfte der Gruppen in der Bandetage kämen aus dem Bezirk, erzählt Andrea. Für viele von ihnen neue Proberäume zu finden, sei jetzt das Ziel. Leicht dürfte das nicht werden.
Das Aus der Bandetage steht symbolisch für die Veränderungen auf Eiswerder. Die Insel war einst bekannt für künstlerische Aktivitäten aller Art. Die ehemaligen Fabrikhallen boten dafür beste Voraussetzungen. Sie beherbergten Ateliers und wurden für Fernsehproduktionen wie das Sat.1-Glücksrad genutzt. Am Ausgang Richtung Haselhorst gibt es immer noch die CCC-Filmstudios. Und viel Musik wurde gemacht, auch einst im Club jwd. Mittlerweile entwickelt sich Eiswerder immer mehr zu einem Büro- und Gewerbestandort, der auch bei Start-ups sehr beliebt ist. Auch der Wohnungsbau ist auf dem Vormarsch.
Andrea und Jürgen Wiemer haben für ihre Band ein neues Domizil in Spandau in Aussicht. Damit sind sie aber die Ausnahme. Zu Ende gehe auf jeden Fall der Zusammenhalt so vieler unterschiedlicher Musiker. Der bei solchen Beschreibungen gern benutzte Begriff von der "großen Familie" macht auch hier die Runde. Aber geholfen wäre vielen zumindest, wenn sie irgendwo unterkommen könnten.
Auch Klaus Kolpack will sich weiter in dieser Richtung engagieren, wenn er eine Möglichkeit dazu bekommt. Wer Räume zu vermieten habe, könne sich gerne an ihn unter der E-Mailadresse lopa@gmx.de wenden.
Die Bandetage muss er bis Ende Juli besenrein übergeben. Das bedeutet auch, dort vieles herauszureißen, was er in den vergangenen mehr als eineinhalb Jahrzehnten investiert hat. Der Rückbau werde ihn rund 50 000 Euro kosten.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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