Ein weites Feld und seine Geschichte
Neue Ausstellung über den Flughafen stellt NS-Zeit in den Mittelpunkt

Olga Goleta und Nina Burkhardt haben die Ausstellung kuratiert. Dass der Flughafen Tempelhof nie fertiggestellt wurde, war für sie bei den Recherchen die größte Überraschung. | Foto: Philipp Hartmann
3Bilder
  • Olga Goleta und Nina Burkhardt haben die Ausstellung kuratiert. Dass der Flughafen Tempelhof nie fertiggestellt wurde, war für sie bei den Recherchen die größte Überraschung.
  • Foto: Philipp Hartmann
  • hochgeladen von Philipp Hartmann

Militärparaden, Rüstungsproduktion, Konzentrationslager, Zwangsarbeit, Luftbrücke – der Flughafen Tempelhof hat viel erlebt, auch dunkle Zeiten. Von der wechselhaften Historie des größten denkmalgeschützten Gebäudes Europas handelt die Ausstellung „Ein weites Feld – Der Flughafen und seine Geschichte“.

Kuratiert haben sie Nina Burkhardt und Olga Goleta für die Stiftung Topographie des Terrors. Ihren Schwerpunkt legten sie dabei auf die Zeit des NS-Regimes, jedoch spielt auch die Zeit eine Rolle, als an einen Flughafen noch nicht zu denken war, und die Entwicklung bis in die Gegenwart. So erzählen Infotafeln, die im Stil eines Papierfliegers leicht gefaltet sind, zum Beispiel davon, wie das preußische Militär das Tempelhofer Feld im 18. Jahrhundert als Parade- und Exerzierplatz nutzte.

In den 1880er-Jahren wurde dort die militärische Nutzung der Luftfahrt getestet. Hunderttausende Schaulustige pilgerten auf das Areal, um beim Aufstieg von Zeppelin, Fesselballons und anderen Flugapparaten zuzuschauen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Tempelhofer Feld vermehrt als Sport-, Freizeit- und Erholungsfläche genutzt. Es war die Zeit, als Berlin immer dichter bebaut wurde. Der erste Flughafen auf dem Gelände wurde 1923 eröffnet. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 nutzten Adolf Hitler und die NSDAP das Flugfeld für groß angelegte Propagandaveranstaltungen. Parallel zur zivilen Luftfahrt baute das im selben Jahr gegründete Reichsluftfahrtministerium die Luftwaffe auf. Im sogenannten Columbia-Haus direkt neben dem Flughafengebäude richteten die Nationalsozialisten zunächst ein Gestapo-Gefängnis ein. Ab 1935 betrieb die SS dort eines der ersten Konzentrationslager. Bis zur Schließung ein Jahr später wurden rund 8000 Männer dort inhaftiert und gefoltert. Einige starben infolge der unmenschlichen Bedingungen. Für den Flughafenausbau wurden die Häftlinge ins KZ Sachsenhausen überführt und das Columbia-Haus 1938 abgerissen. Am Columbiadamm erinnert heute noch ein Mahnmal an diesen Ort des Grauens.

Im Sommer 1936 begannen die Arbeiten für den neuen Gesamtkomplex. Der Zweite Weltkrieg verhinderte jedoch, dass der Flughafen Tempelhof, so wie sich ihn die Nazis vorgestellt hatten, jemals fertiggestellt wurde. Während des Krieges wurde er für die Rüstungsproduktion genutzt. Die Deutsche Lufthansa AG und der Bremer Flugzeughersteller „Weser Flugzeugbau“ ließen dafür 3000 Zwangsarbeiter in ihren Werkstätten schuften. Fotos und Zitate von Zeitzeugen vermitteln auf bewegende Art die Bedingungen und Schicksale. Ein anderer Ausstellungsbereich erzählt von besonders spektakulären Fluchten aus dem Ostblock nach Kriegsende. Dabei wurden Besatzungen polnischer Linienmaschinen von Entführern gezwungen, in Tempelhof statt auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld zu landen. Und einer wollte, aber durfte nicht in Tempelhof landen: US-Präsident John F. Kennedy. Die Air Force One, eine 380 Tonnen schwere Spezialanfertigung, passte nicht auf die Landebahn. Sie musste nach Tegel ausweichen.

Die Ausstellung im ehemaligen GAT-Bereich, Zufahrt über Tempelhofer Damm 9, läuft bis zum 30. Dezember. Geöffnet ist täglich 10 bis 19 Uhr bei freiem Eintritt. Es gibt ein Begleitprogramm mit Workshops und Führungen sowie eine mehrsprachige App als Ausstellungsguide. Im Frühjahr 2019 soll sie im dann neu eröffneten Besucherzentrum links vom Haupteingang fortgesetzt werden. Alle Infos auch unter http://www.topographie.de/tempelhof.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

48 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 472× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 440× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 389× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 423× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.739× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.