Verwunschenes Idyll seit fast 70 Jahren
Eine Aufgabe fürs Leben – Wirtin Christiane Hilbert und die Bergterrasse Marienhöhe

Christiane Hilbert deckt die Tische ein. Die Gäste können kommen. | Foto: Ulrike Martin
4Bilder
  • Christiane Hilbert deckt die Tische ein. Die Gäste können kommen.
  • Foto: Ulrike Martin
  • hochgeladen von Ulrike Martin

„Wie lange ich das noch mache? Solange ich kann.“ Christiane Hilbert, Eigentümerin der Bergterrasse Marienhöhe, kann sich nicht vorstellen, aufzuhören. Obwohl sie seit Jahren im Rentenalter ist. „Ich müsste ja nicht mehr, aber der Spaß an der Sache überwiegt.“

Dieser Spaß begann früh. Ihre Eltern entschlossen sich 1951, auf der Marienhöhe eine Gaststätte mit Biergarten zu eröffnen – ohne jegliche gastronomische Erfahrung. Doch der Laden lief bald so gut, dass die vier Kinder – zwei Söhne, zwei Töchter – mithelfen mussten. Vor allem an den Wochenenden war es proppevoll. Ein besonders beliebter Termin waren die Morgenkonzerte zu Pfingsten. Hunderte von Zuhörern pilgerten auf die Höhe.

Auch heute ist an schönen Tagen oft Hochbetrieb. Im Innern des 1935 erbauten Hauses ist zwar oft nicht viel los, außer es beginnt plötzlich zu regnen. „Jetzt bewirten wir aufgrund der Corona-Maßnahmen sowieso nur im Freien“, sagt Christiane Hilbert. Und der Biergarten zieht Besucher magisch an. Wobei Biergarten die Location nicht wirklich beschreibt: Die Gäste sitzen mitten im wild sprießenden Grün, umgeben von Rosenbüschen und blühenden Sträuchern, unter hohen, von Efeu umrankten Bäumen – ein verwunschenes Idyll in der Großstadt. „Den Garten haben meine Eltern angelegt, der bleibt so“, sagt Hilbert. Aus dieser Zeit stammt auch der grüne Kiosk am Eingang. Dort haben die Wirtskinder früher Eis verkauft, jetzt dient der kleine Bau als Fläche für Info-Zettel und Ankündigungen.

Nachdem sie als Kind und Jugendliche schon mitgeholfen hatte, beschloss Christiane Hilbert, Profi zu werden. Sie ging auf eine Hotelfachschule in Bayern und übernahm später die Gaststätte von den Eltern. Seitdem organisiert sie alles, bereitet das Essen vor, kocht, backt Kuchen, macht die Buchhaltung. Unterstützung gibt es von Ehemann Bernd und drei Mitarbeitern, die je nach Besucherandrang im Service eingesetzt werden.

Jetzt hofft die Wirtin auf einen guten Restsommer. Wegen Corona konnte die Bergterrasse erst Ende Juni öffnen, Umsatzeinbußen sind zu verzeichnen. Und von Oktober bis Ostern ist sowieso geschlossen. Echte Probleme gibt es aber nicht. „Wir wollen gar keinen so großen Betrieb, schließlich sind wir ja schon älter“, sagt sie. Allerdings spricht sich die Gaststätte als Ausflugsziel herum. „Spätestens, seit wir eine Seite im Internet haben, kommen die Leute aus ganz Neukölln, Tegel oder sogar Frohnau“, berichtet Hilbert. Ihre Stammgäste kennt sie alle, oft genug erzählen sie ihr persönliche Geschichten.

Die Entscheidung für die Bergterrasse hat Christiane Hilbert nie bereut, die Gaststätte ist ihre Lebensaufgabe. „Wie gesagt, ich mache es immer noch gerne.“ Spricht’s und deckt weiter die Tische ein. Die ersten Gäste können kommen.

Derzeit kein Spaziergang möglich

Vor oder nach dem Besuch würde sich normalerweise ein Spaziergang auf die 73 Meter hohe Marienhöhe anbieten, aber die Zugänge sind versperrt. Sie waren bei starken Regenfällen im Herbst 2017 unterspült worden. Seitdem stehen Gitter quer über die Wege, die allerdings ohne große Schwierigkeiten umgangen werden können.

Wer‘s probiert, findet oben zwar keine Aussicht mehr, die Sträucher und Bäume sind zu hoch, aber jede Menge Müll. Der Gedenkstein an die Opfer von Krieg und Unterdrückung ist beschmiert, ebenso der Sockel für die Gedenktafel, die an den Trigonometrischen Punkt Rauenberg erinnert. Er war einer der Fundamentalpunkt des Deutschen Hauptdreiecksnetzes. Trigonometrische Punkte werden für die Landvermessung benötigt, bei der die Erdoberfläche in Dreiecke aufgeteilt wird.

Die Marienhöhe entstand 1949 bis 1951 aus Trümmerschutt. Zuvor, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, wurde Kies abgebaut. Die bis zu 80 Meter tiefen Gruben waren Drehort für einige UFA-Monumentalfilme im Wüstenmilieu. Dabei wurde der Trigonometrische Punkt zerstört. Bereits vor 1945 wurden die Kiesgruben dann als Mülldeponie genutzt.

Immerhin gibt es jetzt einen Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung: Vor der Sanierung, die wahrscheinlich erst 2021 beginnen kann, sollen die Wege auf die Marienhöhe zumindest provisorisch instandgesetzt, der Müll entfernt, die Schmierereien beseitigt werden.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

18 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 93× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 106× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.455× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.