Tempelhof-Zeitreise mit RIAS-Legende Nero Brandenburg
Tempelhof. „Ick kann det imma noch nich globen, dat hier nüscht mehr fliecht und wollte ma kieken, wat eijentlich lose is.“ Diesen förmlich in Berliner Mundart gemeißelten Satz sprach Nero Brandenburg, RIAS-Legende und Berufsberliner, und meinte den ehemaligen Flughafen Tempelhof beziehungsweise was davon übrig ist.
Zwei alte Bekannte, Nero, das komödiantisch kontaminierte Dampfradio-Urgestein, und Berliner-Woche-Autor Horst-Dieter Keitel liefen sich neulich mal wieder über den Weg und nutzten den Zufall für „’ne Tour in vajangne Zeiten“, wie Nero mit seiner Berliner Schnauze anmerkte und einen Rundgang über das einstigen Flughafengelände vorschlug. Und er hatte jemand, der ihm beim Mäkeln zuhörte. Vor allem ärgert er sich „üba det ville Zeuchs, wat hier mitten inne Landschaft rumjammelt“. Gemeint sind die sich in der Weite des Feldes verlierenden Hochbeete oder die etwas abenteuerlich zusammengeschusterte Minigolf-Anlage. Auch die Cabuwazi-Zirkuszelte und die Container zur Flüchtlingsunterbringung gefallen ihm nicht wirklich. Seine Stimmung hebt sich angesichts der scheinbar unversehrt erhaltenen Start- und Landebahnen und Nero Brandenburg bleibt Optimist: „Allet in allem könnte man det Dingens och schnell wieda in Betrieb nehmen“, träumt er und erzählt, dass der Flughafen einst zu seinem Einzugsgebiet gehörte und er schon in „frühester Kindheit“ im GYA-Club (German Youth Activities) am Columbiadamm verkehrt und unterm Radarturm Baseball gespielt habe. Solche Clubs hatten die Amerikaner überall in ihren Besatzungszonen. Dort sollte Kindern und Jugendlichen spielerisch die Demokratie nahegebracht werden. Ein US-Luftwaffensergeant konnte dem kleinen Nero, Jahrgang 1941, bei dieser Gelegenheit sogar „etwas Amerikanisch“ beibringen. Das konnte er in späteren Jahren bei seinen Streifzügen durch die Ami-Erwachsenen-Clubs rund um den Platz der Luftbrücke gut gebrauchen. Für Deutsche eigentlich NoGoAreas aber Neros Eintrittskarte war seine markante, zu jener Zeit jedem Radio hörenden Berliner vertraute Stimme samt nicht immer ganz stubenreinen Sprüchen. Beides ist ihm geblieben. Er erinnert sich beispielsweise an ein Treffen und Interview mit Gail Halvorson, dem legendären US-Luftbrückenpiloten und von 1970 bis 1974 auch Kommandant des Flughafens. Oder wie er sich mal aufs Flugfeld schmuggeln konnte, um die Sängerin Sandie Shaw noch an der Gangway in Empfang zu nehmen.
Nero Brandenburg lebt heute in Zehlendorf und kann stundenlang unzählige solcher Geschichten erzählen. Bloß, wie oft er selbst in Tempelhof ein- und ausgeflogen ist, hat er sich nicht gemerkt. Vor genau neun Jahren, am 30. Oktober 2008, wurde der Flugbetrieb eingestellt. Seit 2010 ist das Gelände für die Öffentlichkeit zugänglich.
Die vom Berliner Senat anschließend geplante Randbebauung scheiterte am Volksentscheid von 2014. Entsprechend des danach zustande gekommenen Gesetzes zum Erhalt des Tempelhofer Felds soll der einmalige Charakter des ehemaligen Flugfelds grundsätzlich gewahrt werden. Da kann selbst Nero Brandenburg nicht meckern. Bekanntlich das höchste Lob eines Berliners. HDK
Autor:Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof |
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