BVV fordert Aufstellung trotz MedienPoints, Bücherstube und Bücherboxen
Der Schrank soll Lesern mit kleinem Geldbeutel zum Tauschen von Büchern dienen. Gelesene Exemplare sollen hineingelegt und andere mitgenommen werden können. Kostenlos! Zu diesem Zweck soll mit einem Freien Träger beziehungsweise einer sozialen Einrichtung zusammengearbeitet werden. Welche das sein könnten, oder wie der Bücherschrank aussieht, ist noch unklar. Klar dagegen ist, dass es in Tempelhof und in Schöneberg bereits zwei vom Berliner Kulturring betriebene und vom JobCenter unterstützte MedienPoints sowie eine Soziale Bücherstube vom Verein Agrarbörse in Tempelhof gibt. Dazu kommen zu Bücherboxen umfunktionierte Telefonzellen auf dem Tempelhofer Feld sowie im bezirksamtlichen Jugendzentrum "Villa Schöneberg", Frobenstraße 27. Das scheint bei der einstimmigen Beschlussfassung in vorweihnachtlicher Politharmonie irgendwie verdrängt worden zu sein, wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Ralf Olschewski auf Nachfrage der Berliner Woche durchklingen lässt. Er sagt jedoch: "Es schadet ja aber auch nicht." Bürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) sieht keine "echte Konkurrenz" zu den bestehenden Einrichtungen, hält aber MedienPoints eindeutig für die bessere Lösung. Der "paperpress"-Herausgeber und private MedienPoint-Unterstützer Ed Koch wird deutlicher: "Anstatt nun Geld, das sonst angeblich keiner hat, in neue Projekte zu stecken, sollte damit besser den bestehenden und ewig auf Spenden angewiesenen Einrichtungen auf die Sprünge geholfen werden." Tempelhofs MedienPoint-Chef Henning Hamann wertet den Beschluss als Affront und sagt: "Bei uns geben sich beispielsweise BV-Vorsteherin, Bürgermeisterin, Stadträte und andere Bezirkspolitiker die Klinke in die Hand. Alle wissen, was wir hier mühsam leisten, was uns fehlt und welche Kapazitäten noch zur Verfügung stünden - und dann so etwas?"
In Unkenntnis der Verhältnisse?
Ein Kommentar von Horst-Dieter Keitel
Lesen gilt bekanntlich als eine der wichtigsten Fähigkeiten überhaupt. Unter dieser Prämisse könnte der BVV-Beschluss auf den ersten Blick als ein starkes Stück Bildungspolitik durchgehen. Sehe ich mir allerdings das schon bestehende und ziemlich flächendeckende Angebot für kostenlosen Lesestoff an, komme ich unweigerlich zu dem Schluss, dass davon weniger die sozial benachteiligten Bürger sondern viel eher die Sozialindustrie profitieren dürfte. Außerdem dürfte sich der Wettlauf um Zweite-Hand-Medien bei einem weiteren Mitbewerber verschärfen.
Ich werde den Verdacht nicht los, dass hier, von wem und weshalb auch immer, einem weiteren, mit öffentlichen Geldern geförderten Träger der Teppich ausgerollt werden soll. Andernfalls müsste ich ja davon ausgehen, dass im Rathaus Schöneberg Beschlüsse in völliger Unkenntnis der Verhältnisse gefasst werden. Das gibts doch gar nicht. Oder?
Autor:Horst-Dieter Keitel aus Tempelhof |
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