Hommage an einen Hübschmacher: Das Schwule Museum huldigt René Koch

René Koch ist museumsreif: Das Sammelsurium aus Bildern, Kunstwerken und lyrischen Beiträgen belegt den Werdegang eines West-Berliner Originals. | Foto: Thomas Schubert
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Tiergarten. Zum 70. Geburtstag eine große Revue: Das Leben und Wirken des Star-Visagisten René Koch ist Gegenstand einer neuen Schau unter dem Titel „Die Kunst des schönen Scheins“. Und wer mag, hinterlässt dort einen Knutschfleck.

Ja, Federboas können die große Freiheit bedeuten. René Koch wirkt im Rentenalter so frei, wie manche Studenten nicht mehr. Und für alle, die sich keinen teuren Fummel leisten können, erfand er unlängst den Halsschmuck aus Kreppapier. Auch ihn findet man in Kochs ganz persönlicher Lebensrevue im Schwulen Museum.

Raschelnde Papierfetzen am Hals eines fröhlich gealterten Paradiesvogels, getönte Brille unter keck getöntem Haar. Typisch Koch. Glamour und Grundrechte. Star-Getue und Charity. Dragqueen-Attitüden und Aids-Hilfe. Koch fuhr zeitlebens doppelgleisig – sozusagen seit der Geburt. Seit jenen Tagen, als die Mutter ein Mädchen wollte und einen Jungen bekam. Klein-René wählte einen Mittelweg, verbrachte sein Leben „geschlechtsneutral“, wie er es nennt.

„Ich bin ein kosmetisches Medium“

Als Travestie-Star machte er in spießigen Jahren denen Mut, die ihre Neigungen verbargen. Er sammelte mit Guido Westerwelle Geld für die Aids-Hilfe, als man dafür Spuckattacken hinzunehmen hatte. An der Seite von Udo Walz war Koch der Schönmacher der West-Berliner Society. „Ich bin ein kosmetisches Medium“, sagt der Visagist. „Und kein Anstreicher.“

Dass angesichts eines glitzernden Partylebens der Blick für Härten des Lebens nicht verloren ging, führte 2003 zum größten Triumph seines Lebens: Das Land Berlin würdigte den Einsatz für Blinde, die Koch in Seminaren das Schminken lehrt, und für Brandopfer, für deren Narben er ein spezielles Make-up erfand. Man verlieh ihm den Verdienstorden. Neben unzähligen Fotografien, Kosmetika und selbstgeschriebenen Gedichten das wohl wichtigste Stück der neuen Schau.

Ein weiterer Schwerpunkt: Kochs Verbundenheit zu Hildegard Knef. „Mein Hund hieß auch Hilde“, nennt der Puderexperte einen humorvollen Ausdruck der Verehrung. „Zum besseren Verständnis unterschrieb die menschliche Version ihre Postkarten immer wie folgt: 'Liebe Grüße, Deine Zweibeinige'.“ Was das „Grünauge“ (sie) und das „Blauauge“ (ihn) verbanden, drückt sich aus in etlichen Exponaten.

Dass im heutigen Business anders als damals die Treue zu einem einzigen Visagisten nichts mehr gilt, nimmt der Wilmersdorfer gelassen. „Heute läuft das Geschäft ganz anders“, winkt er ab. „Lady Gaga kommt mit einer eigenen Schönheitsmannschaft.“ Dass Schönheit aus seiner Sicht sehr eng mit einer Verzierung der Lippen zusammenhängt, wird keinem Ausstellungsbesucher entgehen. Lippenstifte, die Koch in einem eigenen Museum sammelt, und Kussmünder kann er gar nicht genug haben.

Also umfasst die große Koch-Schau auch einen propperen Buddybären, dem man einen Knutscher verpassen darf, mit einer Lippenstiftfarbe nach Wahl. Das heißt, gesetzt dem Fall, man findet noch eine freie Stelle. tsc

Die Ausstellung „Kunst des schönen Scheins“ ist noch bis 16. März zu sehen im Schwulen Museum, Lützowstraße 73. Öffnungszeiten: Mo/Mi/Fr/So 14-18 Uhr, Do 14-20 Uhr, Sa 14-19 Uhr. Eintritt: 7,50 (4 Euro ermäßigt).
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

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