Mitglieder des Netzwerks Religionsgemeinden äußern sich zur Flüchtlingsarbeit seit 2015

Gastgeber Amill Gorgis (3.v.r.) empfing seine Gesprächspartner in der Syrisch-Orthodoxen Kirche an der Potsdamer Straße. | Foto: KEN
  • Gastgeber Amill Gorgis (3.v.r.) empfing seine Gesprächspartner in der Syrisch-Orthodoxen Kirche an der Potsdamer Straße.
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Die massenhafte Zuwanderung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Armutsmigranten 2015 stellte brachte viele Herausforderungen. Unter denen, die sich engagieren, sind auch Mitglieder des Netzwerks der Religionsgemeinden im Schöneberger Norden und Tiergarten-Süd. Zum Jahresabschluss gab es einen Erfahrungsaustausch.

Gastgeber war die Mor Yakub-Gemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in der Potsdamer Straße 94. Die Gemeinde war nach ihrer Gründung 1974 zunächst Gast in der katholischen St. Michaelskirche in Kreuzberg. Seit 1984 sind die Aramäer in der ehemaligen katholischen St. Ludgeruskirche in Tiergarten-Süd zu Hause.

„Was macht man?“, fragt Amill Gorgis, Ökumene-Beauftragter der Syrisch-Orthodoxen Kirche in Berlin, im Rückblick auf die syrischen Christen, die vor zwei Jahren in großer Zahl nach Berlin kamen. Die Syrisch-Orthodoxen boten Deutschunterricht an, halfen bei der Wohnungssuche, denn viele Familien wollten nicht in den Notunterkünften bleiben, und vermittelten Paten.

Aus Solidarität stellte die katholische St. Matthias-Kirchengemeinde in der Kolonnenstraße für die Unterbringung von Flüchtlingen drei Etagen zur Verfügung. Dort konnte Gorgis über annähernd drei Jahre bis zu 30 Personen unterbringen. Auch die Französisch Reformierten hätten eine Wohnung angeboten, sagt der gebürtige Syrer. Eine Herausforderung sei die Flüchtlingsbetreuung durchaus. Denn die Mitglieder seiner Kirche, so Amill Gorgis, hätten sich „verdrängt“gefühlt, weil die Räume für Aktivitäten für und mit Geflüchteten ständig besetzt gewesen seien.

Gorgis Fazit: Der Senat könne mehr tun, um die Flüchtlingsarbeit vor Ort in den Kirchengemeinden zu stärken. „Der Staat kann froh sein, dass es Strukturen wie die Kirchengemeinden gibt“, so der Diplomingenieur. Kadriye Karci vom Quartiersmanagement Schöneberger Norden pflichtet ihm bei. Zwar würden viele Förderprojekte auf den Weg gebracht, aber die Akteure im Kiez würden nicht einbezogen.

Claudia Eichhorst, Beauftragte für die Flüchtlingsarbeit in den evangelischen Kirchenkreisen Neukölln und Tempelhof-Schöneberg, hat festgestellt, dass sich im Vergleich zu 2015 weniger neue Ehrenamtliche engagieren. Am erfolgreichsten seien Projekte, sagt Eichhorst, die eine „Eins-zu-Eins-Begegnung“ ermöglichen: Fußball, Yoga oder Kochen. Positiv wertete sie die Tatsache, dass die Gemeinden genug Räume, Säle und große Küchen haben, „die voll genutzt werden können“.

Gute Erfahrungen habe man mit den Integrationslotsen gemacht. Als Herausforderung nennt Claudia Eichhorst die Wohnungssuche, insbesondere nach einem Familiennachzug. „Es kommen nämlich nicht nur ein oder zwei Personen, sondern eine Mutter mit sieben Kindern“, so Eichhorst.

Burkhard Bornemann, Pfarrer der evangelischen Zwölf-Apostel-Kirchengemeinde, erzählt von einem Kirchenasylfall. Mit der Zustimmung des gesamten Gemeinderats habe man über vier Monate eine von Abschiebung bedrohte traumatisierte vierköpfige Familie betreut. „Es ist eine ganz intensive Zeit gewesen“, sagt der Pfarrer und berichtet ferner von vielen Taufanfragen vornehmlich junger männlicher Flüchtlinge. Er begegne dem Begehren offen, so Burkhard Bornemann. „Aber wir werben nicht darum.“ Für die jungen Männer sei die Kirchengemeinde ein „Andockpunkt“. „Diese Menschen sind Teil der Gemeinde geworden.“

Für 2018 nimmt sich das Netzwerk vor, nach dem Vorbild des Interkulturellen Hauses in Schöneberg ein leeres Gebäude zu suchen, um es möglicherweise mit Lottomitteln zu sanieren und allen fremdsprachigen Gemeinden – es sind mindestens 20 – zur Verfügung zu stellen. „Der Bedarf ist groß“, weiß Amill Gorgis.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 475× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 441× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 391× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 423× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.740× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.