Im Mittelhof lernen geflüchtete Frauen zu schneidern

Fast fertig: Amene freut sich auf ihr neues Kleid, das ihre Mutter Nasyme für sie schneidert. | Foto: Ulrike Martin
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  • Fast fertig: Amene freut sich auf ihr neues Kleid, das ihre Mutter Nasyme für sie schneidert.
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Zehlendorf. Scheren klappern, Maschinen surren, flinke Hände stecken Papierschnitte auf Stoffbahnen: Im Keller des Stadtteilzentrums Mittelhof ist die Nähstube geöffnet. Besucht wird sie von Frauen, die in Flüchtlingsunterkünften des Bezirks leben.

Die Idee entstand Ende 2015 in den evangelischen Kirchengemeinden Schlachtensee, Wannsee und Nikolassee. Ein Kennenlern- und Handarbeitstreff für Frauen aus Flüchtlingsheimen sollte entstehen. Der Mittelhof stellte die Räume zur Verfügung. „Wir wollten sowieso eine Nähstube aufmachen“, sagt Leiter Gerald Saathoff. Über Spendenaufrufe kamen Stoffe, Kurzwaren und Nähmaschinen ins Haus.

Jutta Jansen und Elke von Nieding, beide Ende 70 und gelernte Schneiderinnen, haben die ehrenamtliche Aufgabe übernommen, die Frauen, die sich in der Nähstube treffen, anzulernen. „Wir sind Kriegskinder, wir können uns vorstellen, was diese Frauen mitgemacht haben und wollen helfen“, erklärt Jutta ihr Engagement. Elke ergänzt: „Genau deshalb wissen wir auch, dass man aus fast Nichts etwas machen kann.

Jeden Montag ab 15 Uhr leiten die beiden zehn bis zwölf Frauen beim Nähen an. Oft erhalten sie Unterstützung von weiteren Kolleginnen, etwa von Hobbyschneiderin Marja Silvennoinen.

Gearbeitet wird in zwei Räumen. In einem stehen die Nähmaschinen, im zweiten werden auf zusammengeschobenen Tischen die Stoffe ausgebreitet und zugeschnitten.

Die Anfängerinnen haben die Aufgabe, einfache Sachen wie Bettdecken oder Kissenbezüge herzustellen. Nicht immer gelingt es auf Anhieb. So muss Elke helfen, eine Patchwork-Decke wieder aufzutrennen, denn bei Daryas Werk sind die Nähte krumm und schief geraten.

Nasibe hingegen präsentiert sich stolz im ersten selbst genähten und perfekt passenden Kleid. Nasyme schneidert ein Kleid für ihre kleine Tochter Amene, die es kaum erwarten kann und sich sehr über den bunten Stoff freut.

„Manche lernen unglaublich schnell“, erzählt Elke. „Sie haben zuvor noch nie eine Nähmaschine gesehen, setzen sich dran, und legen los.“ Den beiden Schneiderinnen macht die Arbeit sehr viel Spaß – trotz der teilweise babylonischen Sprachverhältnisse. Die Frauen in der Mittelhof-Nähwerkstatt kommen aus Syrien und Afghanistan, aus Ghana und Eritrea, können oft weder mit ihren Lehrerinnen sprechen noch sich untereinander verständigen. Nicht alle haben bereits einen Deutsch-Kurs belegt. „Aber es geht irgendwie, notfalls mit Händen und Füßen“, sagt Elke.

Die Sprachhürde soll demnächst niedriger werden. „Wir überlegen, hier im Haus einen Sprachkurs anzubieten – mit Kinderbetreuung“, sagt Saathoff.

Jutta Jansen und Elke von Nieding wollen auf jeden Fall weitermachen. „Es geht ja nicht nur ums Nähen“, sagt Jutta. „Die Frauen sollen auch mal rauskommen, in dieser Hinsicht haben sie es viel schwerer als ihre Männer.“ Ein Wunsch von Elke und Jutta: „Es wäre schön, wenn wir den Frauen so viel beibringen könnten, dass sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.“

Um den Nähwerkstatt-Betrieb aufrecht zu erhalten, werden weiterhin Spenden an Stoffen und Zubehör gesucht. Genauso wichtig sind zusätzliche fleißige Hände: Schneiderinnen und Hobbyschneiderinnen mit guten Kenntnissen sind höchst willkommen. uma

Mehr Infos gibt es bei der Ehrenamtskoordinatorin Katharina Kloß unter  80 19 75 33, kloss@mittelhof.org.
Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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