Zeitzeugen weihten Gedenkort mit ein
An der Bahnhofstraße wird an das frühere Zwangsarbeiterlager erinnert

Die ehemaligen Zwangsarbeiter Maria Stroinska und Bogdan Bartnikowski kamen zur Einweihung des neuen Gedenkortes nach Blankenburg. | Foto:  Bernd Wähner
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Am Hauptstandort der Albert Schweitzer Stiftung – Wohnen & Betreuen an der Bahnhofstraße 32 ist ein Gedenkort eingeweiht worden. An diesem wird daran erinnert, dass sich auf diesem Gelände in der NS-Zeit eine Wohnanlage für Zwangsarbeiter sowie danach ein sogenanntes „Ausländerkrankenhaus“ befand.

Der Gedenkort befindet sich zwischen den Häusern Lambarene und Straßburg. Heute werden in der Stiftung pflegebedürftige Menschen und Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen betreut. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurden in Gebäuden an der Bahnhofstraße ausländische Zwangsarbeiter vor allem aus Osteuropa unter erbärmlichen Bedingungen untergebracht. Dort befand sich eine von etwa 300 Wohnanlagen, die in Berlin für Zwangsarbeiter eingerichtet wurden.

Ab 1942 waren dort etwa 4000 Menschen aus unterschiedlichen Nationen zusammengepfercht. Mitte 1943 ist diese Wohnanlage dann zu einem „Ausländerkrankenhaus“ umfunktioniert worden. Dorthin kamen fortan Zwangsarbeiter, die vor allem an Tuberkulose erkrankt waren. Nach bisherigen Recherchen starben an diesem Ort etwa 160 Menschen, berichtete Stiftungsgeschäftsführer Jörg Schwarzer. Zwei Kollegen der Stiftung hatten, als sie von der Geschichte dieses Ortes erfuhren, die Idee, dort einen Gedenkort einzurichten, so Schwarzer weiter. Diese Idee wurde sofort aufgegriffen und nun umgesetzt.

Eine halbe Million Zwangsarbeiter
in Berlin

Die Vorstandsvorsitzende der Albert Schweitzer Stiftung – Wohnen & Betreuen, Gesundheits- und Sozialstadträtin Cordelia Koch (Bündnis 90/ Die Grünen), sagt, es berühre sie sehr, dass an diesem Gedenkort an die dunkle Geschichte und an bewegende Einzelschicksale erinnert wird. „Wir können uns heute gar nicht vorstellen, wie es sein muss, keine Macht mehr über das eigene Leben zu haben“, sagte sie. Die Erinnerung an das Schicksal dieser Menschen motiviere heute, kein Rassismus und Radikalismus zuzulassen.

Dr. Christine Glaunig, Leiterin des Berliner Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit, berichtete, dass die deutsche Kriegsindustrie ohne Zwangsarbeit zusammengebrochen wäre. Deshalb war die damalige Reichshauptstadt auch mit Zwangsarbeiterlagern übersät. In Berlin gab es seinerzeit etwa eine halbe Millionen Zwangsarbeiter. Die, die in Blankenburg untergebrachten waren, mussten unter anderem bei der Müllabfuhr oder auch bei den Verkehrsbetrieben arbeiten.

Zwei der damaligen Zwangsarbeiter, die in Blankenburg untergebracht waren und ausfindig gemacht werden konnten, sind Maria Stroinska und Bogdan Bartnikowski. Beide kamen als 13-Jährige mit Familienangehörigen ins Lager. Bogdan Bartnikowski berichtete, dass er mit seiner Mutter zuvor in Auschwitz interniert war, ehe sie nach Blankenburg verlegt wurden. Er erinnerte sich: „Wir mussten Trümmer von zerstörten Häusern in der Innenstadt beseitigen. In unseren Papieren stand zwar, dass wir Hilfsarbeiter sind. Aber wir wurden wie Sklaven behandelt.“

Von der Freiheit geträumt

Am 22. April wurden die Zwangsarbeiter, die in Blankenburg überlebten, befreit. „Wir konnten aber noch nicht nach Hause“, so Bartnikowski. „Rings herum fanden noch schwere Kämpfe statt. Aber wenig später machten wir uns zu Fuß auf nach Hause. Eine Woche später kamen wir in Warschau an. Unsere Wohnung war aber zerbombt und mein Vater fiel in Kämpfen bei Warschau.“

Als er 25 Jahre später erstmals wieder nach Blankenburg kam, hatte Bogdan Bartnikowski gemischte Gefühle, gestand der 92-Jährige. Er erinnerte sich daran, wie er hier von Freiheit träumte und dieser Traum dann tatsächlich wahr wurde. „Ich bin froh, dass die Gebäude weiterhin existieren und man hier heute Menschen betreut, die leiden, wenn auch anders als ich damals“, sagte er zum Abschluss seiner bewegenden Rede.

Um die Erinnerung an diese Opfer wach zu halten, ließ die Stiftung zwei Gedenkstelen errichten, die über diese dunkle Zeit, auch in Leichter Sprache, informieren. Auf ausziehbaren Tafeln können sich Interessierte zudem ein Bild über Einzelschicksale machen, wie zum Beispiel über den Zwangsarbeiter Bogdan Bartnikowski. Des Weiteren hat die Stiftung eine begleitende Broschüre in Leichter Sprache zusammengestellt, in der sich Informationen über den einstigen Zwangsarbeiterstandort in Blankenburg finden. Diese kann von der Internetseite https://bwurl.de/1857 heruntergeladen werden.

Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

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