Große Frau in vielen Rollen
Georg-Kolbe-Museum präsentiert Tilla Durieux
Ihr Name wird nicht nur allen älteren Berlinerinnen und Berlinern noch in guter Erinnerung sein, auch Kenner der modernen Kunst und des Theaters werden bei seiner Erwähnung in Begeisterung geraten und dürfen sich nun besonders freuen: Tilla Durieux, die große Theater- und Filmschauspielerin, gibt sich in Berlin – sinnbildlich gesprochen – wieder einmal die Ehre: Denn ihr, die 1971 in Berlin 90-jährig verstorben war, ist jetzt eine große Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum gewidmet.
Doch „die Durieux“ war nicht nur begnadete Mimin auf Bühne und Leinwand, sie war auch politisch aktiv, zum Beispiel Rosa Luxemburg verbunden und wohl eine der meistporträtierten Frauen ihrer Zeit.
Gezeigt werden zahlreiche Werke bedeutender Künstlerinnen und Künstler, Filme, Tonaufnahmen, Fotografien und Dokumente aus dem Nachlass Tilla Durieux‘, die den Besucherinnen und Besuchern ein tiefgreifendes Panorama einer großen Persönlichkeit nahebringen. So wurde sie im Laufe ihre Lebens und ihrer Karriere unter anderem von Max Slevogt, Mary Duras, Oskar Kokoschka und Lotte Jacobi porträtiert – um hier nur einige zu nennen. Die dabei entstandenen Bilder zeigen nicht nur Durieux im Spiegel ihrer Zeit, sie sind auch gleichzeitig Spiegel dieser Zeit selbst. Und die war, ebenso wie ihr Leben, mit zwei Weltkriegen, Kaiserreich, Nazidiktatur und geteiltem Deutschland turbulent.
Verheiratet war sie drei Mal: Eugen Spiro, der erste Ehemann, war Maler und hat sie mehrfach porträtiert. Der Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer war ab 1910 Durieux‘ zweiter Ehemann. Er förderte die nun bereits sehr erfolgreiche und ehrgeizige Schauspielerin, die eigentlich Ottilie Helene Angela Godeffroy hieß, in Wien geboren wurde und später in Erinnerung an ihre Großmutter ihren Namen geändert hatte. Als Paar waren sie fester und glamouröser Bestandteil der Kunst- und Literaturkreise Berlins jener Zeit.
Doch das Glück des Ehepaares war nicht von Dauer: Als sich Cassirers wohl durch seine an der Front im Ersten Weltkrieg ausgelösten psychischen Probleme verstärkten, reichte Durieux 1926 die Scheidung ein. Mit ihrem dritten Ehemann, dem Industriellen und Kunstsammler Ludwig Katzenellenbogen, floh sie schließlich vor den Nationalsozialisten. Trotz mehrerer Versuche gelang es dem Ehepaar jedoch nicht, Visa für die USA zu erhalten. In Abwesenheit von Durieux wurde ihr Ehemann ins KZ verschleppt, wo er nach seiner Internierung 1944 starb.
Viele Freunde und Bewunderer beschrieben Tilla Durieux als eigenständige und emanzipierte Frau. So arbeitete sie zu Beginn des Ersten Weltkriegs als Krankenschwester, beendete jedoch bald ihren Dienst und engagierte sich fortan für den Frieden.
Die Ausstellung, die dieses bewegte Leben nachzeichnet, entstand in Kooperation mit dem Leopold Museum Wien, und der Berliner Akademie der Künste. Sie wird begleitet von der Künstlerin Alice Escher, die Anregungen zu einer aktuellen Sicht auf Tilla Durieux aufgreift. Außerdem gibt es themenbezogene Veranstaltungen, über die das Museums unter georg-kolbe-museum.de informiert. Die Ausstellung „Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“ ist in der Sensburger Allee 25 in Westend noch bis zum 23. August täglich außer dienstags von 11 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt beträgt acht Euro, ermäßigt fünf Euro, für Besucher unter 18 Jahren ist er frei. Der Katalog zur Ausstellung ist für 34,90 Euro im Museumsshop erhältlich.
Vielleicht regt ein Museumsbesuch auch zu einem kleinen anschließenden „Ausflug“ an – auf den nahen Friedhof Heerstraße, wo Tilla Durieux beerdigt wurde und schon ihr Ehemann Paul Cassirer seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Autor:Uwe Lemm aus Mahlsdorf |
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