"Für ein Spandau, das niemanden behindert": Sargon Lang im Interview
Sargon Lang (44) hat als Bezirksbeauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderung vor allem die Barrierefreiheit im Blick. Mit Reporterin Ulrike Kiefert sprach er über „spandau inklusiv“, die erste barrierefrei berollbare Bushaltestelle, und über das, was 2018 so ansteht.
Das Projekt „spandau inklusiv“ geht ins sechste Jahr. Welche Aktionen für dieses Jahr geplant sind, werden Sie beim Inklusiven Neujahrsempfang am 15. Februar vorstellen. Einige können Sie aber sicher heute schon nennen.
Sargon Lang: 2017 konnte das Projekt sozusagen Hölzerne Hochzeit feiern. Jetzt geht „spandau inklusiv“ tatsächlich schon ins sechste Jahr. Darauf kann Spandau stolz sein, denn wir sind der einzige Berliner Bezirk, der mit diesem Projekt auch einen konkreten Aktionsplan hat. Und nicht nur das. Viele dieser Maßnahmen wirken über Spandau hinaus. Für dieses Jahr sind ganz konkret 121 Aktionen geplant. Dazu zählen die erste barrierefrei berollbare Berliner Bushaltestelle und das erste barrierefreie Leitsystem in einem Berliner Rathaus.
Kasseler Sonderboard als Modell für Spandau?
Sie meinen eine Haltestelle, von der man ohne Rampe in den Bus kommt?
Sargon Lang: Ja, ganz genau. Für den Ein- und Ausstieg sind Fahrgäste mit einem Rollstuhl bisher auf das Anlegen einer Rampe und damit auf fremde Hilfe angewiesen. Durch höhere Borde kann es aber gelingen, die Stufe so zu minimieren, dass Rollstuhlnutzer den Bus auch ohne Rampe selbstständig berollen und wieder verlassen können. Vorbild ist hier das sogenannte Kasseler Sonderbord plus, das in Kassel und Hamburg bereits bewährte Praxis ist. Nur in Berlin gibt es das noch nicht.
Wann wird es diese Bushaltestelle in Spandau geben?
Sargon Lang: Wir setzen uns als Bezirk bereits seit eineinhalb Jahren für höhere Busborde ein. Inzwischen hat sich auch der Landesbeirat für Menschen mit Behinderung unserer Initiative angeschlossen. Und die BVG hat eine solche Bushaltestelle bereits erfolgreich auf einem ihrer Betriebshöfe getestet. Wir sind nun zuversichtlich, dass die Senatsverkehrsverwaltung in Kürze die rechtlichen Voraussetzungen für die höheren Borde schaffen wird. Dann wäre der Weg frei für die erste barrierefreie Berliner Bushaltestelle in Spandau. Topografisch geeignet wäre dafür zum Beispiel der U-Bahnhof Haselhorst am Ferdinand-Friedensburg-Platz.
Und was hat es mit dem barrierefreien Leitsystem auf sich?
Sargon Lang: Das neue Leitsystem im Rathaus soll für alle Menschen nutzbar sein. Unser Anspruch ist, dass auch blinde und sehbeeinträchtigte Besucher im Rathaus selbstständig dorthin gelangen, wo sie hin wollen, zum Beispiel ins Bürgeramt. Dafür arbeiten wir an einer App für Smartphones. Die App soll für die Nutzer kostenlos sein. Der Nutzer wird von jedem beliebigen Punkt im Rathaus aus zu seinem Ziel gelotst.
Wieso braucht Spandau überhaupt einen Aktionsplan?
Sargon Lang: Reden ist Silber, Handeln ist Gold. Inklusion ist wichtig, das sagen viele und sie meinen es auch sicher so. Wenn es jedoch darum geht, konkret etwas für gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderung zu tun, dann kommen die Fragen. Was genau ist zu tun? Wie beteiligen wir Menschen mit einer Behinderung als Experten in eigener Sache? Wer plant eine Maßnahme und wer setzt sie um? Und: Wie finanzieren wir das alles? Der Aktionsplan liefert die Antworten. Aktiv beteiligt ist dabei der Beirat für Menschen mit Behinderung. Alle Fachbereiche des Bezirksamtes wiederum übernehmen Verantwortung für das Durchführen der Maßnahmen. Früher hatten wir die Kosten nicht genügend im Blick. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert, denn kostenintensive Maßnahmen werden vorab bewertet und mit den nötigen Mitteln im Haushaltsplan hinterlegt. Wertvoll ist aber natürlich jede noch so kleine Maßnahme, die wir umsetzen können. Sie bringt uns einen Schritt weiter auf dem Weg zu einem Spandau, das niemanden behindert.
Barrieren künftig auch über die App melden
Was muss da aus Ihrer Sicht dringend verbessert werden?
Sargon Lang: Ohne falsche Bescheidenheit lässt sich sagen: Nicht zuletzt dank „spandau inklusiv“ geschieht in Spandau bereits Einiges mehr als anderswo. Das heißt natürlich nicht, dass es keine Luft nach oben gibt. Zentrale Verbesserungen lassen sich allerdings allein auf Bezirksebene selten erreichen. Aber wir versuchen, die Dinge besser zu machen und planen unter anderem eine noch breitere Bürgerbeteiligung als bisher. So können dem Ordnungsamt über „Ordnungsamt Online“ künftig auch Barrieren für Menschen mit Behinderung gemeldet werden. Zu hohe Bordsteine etwa oder versperrte Zugänge. Außerdem planen wir einen Bürgertag zum Thema Barrieren im Bezirk.
Sie sind jetzt seit zweieinhalb Jahren Bezirksbeauftragter für Senioren und Menschen mit Behinderung. Was sind Ihre wesentlichen Aufgaben?
Sargon Lang: Richtig müsste es heißen: Beauftragter des Bezirksamtes für die Belange von Senioren sowie Menschen mit Behinderung. Die offizielle Stellenbezeichnung gibt meine Aufgabe also nur verkürzt und damit etwas missverständlich wieder. Denn als Bezirksbeauftragter berate ich nicht die Bürger, sondern das Bezirksamt in allen Fragen der Barrierefreiheit. Barrierefreiheit bezieht sich nicht nur auf die zahlreichen Bauvorhaben, für die ich Stellungnahmen schreibe. Gemeinsam mit der Projektleitung steuere ich den Prozess von „spandau inklusiv“ und setze eigene Aktionen um. Ich prüfe die Vorhaben des Bezirksamtes und stelle sicher, dass die Interessen der von mir vertretenen Personengruppen berücksichtigt werden. Über die Bezirksaufgaben hinaus geht es aber auch um das Mitgestalten von Gesetzen. Ich meine hier das Mobilitätsgesetz oder die Verordnung zum barrierefreien Wohnen und nicht zuletzt das Landesgleichberechtigungsgesetz.
Das hört sich nach viel Arbeit an.
Sargon Lang: Meine Arbeit ist kein 40-Stunden-Job, das stimmt. Da muss ich aufpassen, dass meine Frau und meine kleine Tochter nicht zu kurz kommen. Ich versuche aber jeden Abend zum Sandmännchen zu Hause zu sein. Und da ist ja auch noch meine Mitarbeiterin Sabine Klebbe, die mir eine große Hilfe ist. Ich habe aber nicht nur viel zu tun, sondern brauche auch eine gewisse Frustrationstoleranz. Denn als Beauftragter kann ich kaum etwas entscheiden, nur empfehlen. Als Fan des 1. FC Kaiserslautern bin ich Kummer aber gewöhnt.
Autor:Ulrike Kiefert aus Mitte |
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