So schinden sich Läufer bei der Winterserie des BSV 92

Reporter gratuliert Routinier: Thomas Schubert und der 82-Jährige Berliner Woche-Leser Horst Klopf kamen kurz nacheinander ins Ziel. | Foto: Schubert
  • Reporter gratuliert Routinier: Thomas Schubert und der 82-Jährige Berliner Woche-Leser Horst Klopf kamen kurz nacheinander ins Ziel.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Wilmersdorf. 15 Kilometer im Eilschritt zwischen Kraftwerk und Autobahn: Reporter Thomas Schubert spielt den "Mitläufer" - und trudelt nach einer Stunde und 34 Minuten ins Ziel.

Der erste Sprint, das ist meine Hatz zur Strecke. Die Uhren zeigen 11 Uhr, da fliegen in der Ferne bunte Jacken hinter kahlen Büschen vorbei. Und ich? Bin ab vom Schuss. Du bist der falschen Gruppe hinterhergegangen, dämmert es mir. Wer den Mitläufer spielen will, sollte wenigstens den Richtigen folgen. Und nicht einer Gruppe von Hobbyjoggern, die am gleichen Ort zur gleichen Zeit auf anderen Wegen flitzen will.

Was nun geschieht, ist eine Jagd über Stock und Stein. Und es gelingt mir, Anschluss zu finden an das letzte Viertel des Felds. Da, wo ich hingehöre, bei einem 15-Kilometer-Lauf, der vielen nur als Training gilt zum Halbmarathon in zwei Wochen.

Denn die Winterserie des BSV 92, angefangen mit dem 10-Kilometer-Rennen, ist ein dreiteiliges Vergnügen, ausgetragen seit 41 Jahren, egal ob es regnet oder schneit. Stadion, Eisbahn, Hohenzollerndamm - das sind die landschaftlichen Eckpunkte. Leise Musik von der Schlittschuh-Fläche, Auspuff-Dröhnen von der Autobahn, "Bravo"-Rufe. Das ist die Klangkulisse des Rennens. Sechs Runden spurte ich meist einsam gegen den Wind, weiche Spätaufstehern mit Brötchentüten aus, lasse mich von Polizisten über sonntagsleere Straßen lotsen - und dabei fortwährend überrunden. Beim ersten "Bravo"-Ruf in Runde 2 fühle ich mich noch angesprochen. Doch eine Sekunde später hechtet der Führende, dem der Ansporn tatsächlich galt, an mir vorbei, spuckt im Enteilen lässig in die Büsche.

50 Minuten sollen dem Sieger Michael Kopf am Ende genügen. Mir bleibt das Doppelte an Zeit, um Trikotfarben und Laufstile zu studieren. Das Heizkraftwerk Wilmersdorf mit seinen drei Schloten - es scheint den drei Läufen der Winterserie eine Entsprechung zu geben. Für den wohl ältesten Teilnehmer, Horst Klopf, der 82 Lenze sah, ist es ein Heimspiel. Als er die Ankündigung in der Berliner Woche las, hat ihn die Lust gepackt, noch einmal mitzuhetzen. Und ich frage mich unterwegs mehrmals, wie es ihm wohl gerade ergehen mag. "Sind Sie nicht der Korrespondent der Zeitung?" Es ist die letzte Runde, da höre ich Klopfs Stimme neben mir. Der Routinier hat sich auf meine Höhe zurückfallen lassen und ich überlege, mit ihm ins Ziel zu laufen. "Na, legen Sie mal einen guten Schlussspurt hin", heißt es dann aber. So komme ich drei Minuten eher an - und kann diesem Mann nur meine Achtung ausdrücken. "Das hier war für mich kein Wettkampf, sondern der Abschluss meines Läuferlebens", sagt Klopf, der vor 35 Jahren sogar einen Marathon in Athen bestritten hat. "Jetzt bin ich froh, dass ich lebend ankam."

Zum Halbmarathon der Winterserie am Sonntag, 26. Januar, um 11 Uhr können sich noch Läufer melden unter uta-roemer@t-online.de. Die Startgebühr beträgt 10 Euro.
Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

PolitikAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 40× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 117× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 551× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.