Die Straße „Am Vierling“: Von der SS-Kameradschaftssiedlung zur Waldsiedlung Krumme Lanke

Die schmale Straße Am Vierling geht von der Argentinischen Allee ab und führt durch die Waldsiedlung Krumme Lanke zum Vierling-Teich. | Foto: Ulrike Martin
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Das Wort „Vierling“ hat diverse Bedeutungen – von der Mehrlingsgeburt bis zum guten Blatt beim Poker. Kurios: Ein Vierling ist auch ein Gewehr, eine kombinierte Waffe, die sowohl Schrot- wie auch Kugelläufe aufweist. In Zehlendorf gibt es die Straße Am Vierling und den benachbarten Vierling-Teich.

Der Name ist alt, der Vierling wurde bereits auf historischen Karten des 19. Jahrhunderts dargestellt, wenn auch nicht als Gewässer, sondern als Feuchtgebiet.

Die 330 Meter lange Straße Am Vierling beginnt an der Argentinischen Allee nördlich des U-Bahnhofs Krumme Lanke. Sie endet als Sackgasse. Angelegt wurde sie Mitte der 1930er-Jahre von der Zehlendorf-West-Terrain AG als Straße 507 eines Bebauungsplans. Die Wohnungsbaugesellschaft Gagfah erwarb das Gelände zwischen der Argentinischen Allee im Südosten und dem heutigen Quermatenweg im Nordwesten Ende 1935. Entstehen sollten preiswerte Eigenheime auf gleichförmig geschnittenen Parzellen. Ein mit dem Bezirk abgestimmtes Bebauungskonzept lag bereits vor.

Dann aber kam es beim SS-Rasse- und Siedlungshauptamt zu einer Intervention. Die SS-Führung wollte in räumlicher Nähe zur Krummen Lanke eine „geschlossene Siedlungsanlage“ für Angehörige der SS-Hauptämter in Berlin schaffen. Zwischen 1938 und 1940 errichtete die Gagfah dann die SS-Funktionärs- oder -Kameradschaftssiedlung links der Argentinischen Allee.

Ziel der SS war es, den Gedanken von „Blut und Boden“ durch die „Sesshaftmachung wertvoller SS-Familien“ und die Ideologie einer elitären Gemeinschaft zu verwirklichen. An der in Größe und Ausstattung unterschiedlich gestalteten Wohneinheiten war die Hierarchie der Dienstgrade der Bewohner ablesbar. Die Siedlung war die erste von geplanten weiteren, aber nicht umgesetzten „SS-Kameradschaftssiedlungen in der Reichshauptstadt“.

Vom Führerplatz zum Selmaplatz

Im August 1938 gab es einen Aufruf in der SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“. Für die neue SS-Kameradschaftssiedlung sollten 16 Straßennamen gefunden werden. Mehr als 1800 Vorschläge gingen ein. Einer davon war „Am Vierling“, der an die Stelle der „Straße 507“ trat.

1947 wurden 13 dieser Straßen umbenannt, „Am Vierling“ und „Im Kinderland“ blieben bis heute erhalten – damit sind nicht unbedingt schlechte Bedeutungen verbunden. Aus der „Ahnenzeile“ hingegen wurde der „Jugenheimer Weg“, aus dem „Treuepfad“ der „Alsbacher Weg“, beide heißen nach Gemeinden in Hessen. Der „Führerplatz“ wurde in „Selmaplatz“ umbenannt.

Nach 1945 wurden die verlassenen Häuser der Siedlung Verfolgten des NS-Regimes, Widerstandskämpfern und Flüchtlingen zur Verfügung gestellt.

Heute heißt die Anlage „Waldsiedlung Krumme Lanke“. Aufgrund des historischen Zeugniswertes wurde sie 1992 unter Denkmalschutz gestellt. Eine 2009 aufgestellte Gedenkstele an der Ecke Argentinische Allee und Teschener Weg informiert über die Geschichte der Siedlung.

Der Vierling-Teich liegt in einer eiszeitlichen Senke in einer kleinen Grünfläche. Er hat eine Fläche von rund 4000 Quadratmetern. Seit 2012 ist der BUND-Südwest Pate dieser Fläche. Mit zielgerichteten Pflegeschnitten soll die Vielfalt der Gehölze rund um den Teich erhalten werden.

Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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