„Mein Mann ist jetzt mein Kind“

Susanne Baschinski (M.), Koordinatorin der Kontaktstelle PflegeEngagement, im Gespräch mit Barbara Sawallisch (l.) und Michaela Ostwaldt. Die beiden Frauen sind pflegende Angehörige und besuchen Selbsthilfegruppen im Mittelhof. | Foto: Ulrike Martin
  • Susanne Baschinski (M.), Koordinatorin der Kontaktstelle PflegeEngagement, im Gespräch mit Barbara Sawallisch (l.) und Michaela Ostwaldt. Die beiden Frauen sind pflegende Angehörige und besuchen Selbsthilfegruppen im Mittelhof.
  • Foto: Ulrike Martin
  • hochgeladen von Ulrike Martin

Steglitz-Zehlendorf. „Manchmal bin ich richtig böse, denke, ich kann nicht mehr. Dann hilft es sehr, wenn ich in meiner Selbsthilfegruppe darüber reden kann.“ Michaela Ostwaldt ist pflegende Angehörige. Die 51-Jährige kümmert sich um ihre demenzkranke Mutter.

Die Kontaktstelle PflegeEngagement im Mittelhof, Königstraße 42-43, bietet in mehreren Ortsteilen Selbsthilfegruppen an. „Das Besondere daran ist, dass die Gruppen alle angeleitet sind, im Gegensatz zu den klassischen Selbsthilfegruppen, die sich nach einer anfänglichen Begleitung alleine organisieren“, erläutert Susanne Baschinski, Diplom-Sozialpädagogin und Koordinatorin der Kontaktstelle. Sie weiß, dass eine Moderation für viele pflegende Angehörige hilfreich ist.

Barbara Sawallisch kann das bestätigen: „Es gibt Tipps und Ratschläge von den Gruppenmitgliedern, wie man reagieren kann oder was zu beachten ist, dass man sich nicht kaputt macht.“ Die 71-Jährige pflegt ihren krebskranken und dementen Mann – alleine. Sie besucht seit einem Jahr sogar zwei Selbsthilfegruppen. „Ich bekomme Hilfe, die ich annehmen kann“, sagt sie. Am Anfang hätte es etwas Überwindung gekostet. Genauso, wie den Nachbarn zu erklären, warum ihr Mann auf der Straße nicht mehr grüßt. Wie lange sie die Pflege noch leisten kann, weiß sie nicht. Aber Barbara ist vorsorgend: „Ich habe ihn schon für die Kurzzeitpflege angemeldet, falls mal was mit mir sein sollte.“

Michaela Ostwaldt ist beruflich selbstständig, versorgt ihre Mutter, 91, mit Unterstützung einer Pflegekraft aus Polen. Seit fünf Jahren geht sie zu ihrer Selbsthilfegruppe im Mittelhof. Neben der Möglichkeit, zu reden oder auch mal wütend zu sein, schätzt sie die praktischen Tipps: „Hier tauschen wir uns über Grundsatzsachen aus, etwa zu den Pflegestufen oder zu nötigen Umbauten in der Wohnung.“

Das Verhältnis zu ihrer Mutter hat verschiedene Stadien durchlaufen: „Es war nicht einfach, aber jetzt ist sie wieder meine Mutter.“

Beziehung neu definieren

Auch Barbara Sawallisch musste die Beziehung zu ihrem Mann neu definieren. „Er ist jetzt mein Kind, um das ich mich kümmere“, sagt sie. Nicht alle Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, kommen so gut klar. Für sie sind die Selbsthilfegruppen gedacht. Noch immer aber sind die Hilfeangebote nicht hinlänglich bekannt. Auch die Hemmschwelle, sich anderen Betroffenen anzuschließen, kann recht hoch sein. „Wir versuchen, das zu ändern, legen unsere Info-Flyer in Arztpraxen und Sozialstationen aus, kooperieren mit den Pflegestützpunkten“, erklärt Susanne Baschinski. Apropos Hemmschwelle: „Wer nicht weiß, was ihn in einer Gruppe erwartet, kann zuvor ein Einzelgespräch vereinbaren.“

Am Freitag, den 4. September, 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr, beginnt im Mittelhof die neue sechsteilige Selbsthilfegruppe „Durch die Trauer nach der Pflege“. Sie ist gedacht für verwitwete pflegende Partnerinnen und Partner. Wie die anderen Angebote der Kontaktstelle ist der Kurs kostenlos. uma

Eine Voranmeldung zum Kurs unter  80 19 75 38 ist erforderlich. Unter dieser Rufnummer erhalten Interessierte auch Infos zu den anderen Selbsthilfegruppen. Mehr zum Angebot der Kontaktstelle PflegeEngagement und zum Mittelhof: www.mittelhof.org.
Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

18 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 71× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 522× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 490× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 440× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 467× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.