"Ohne Mauerfall hätte ich nicht studieren können"

Reinhard Müller analysiert Kleinstlebewesen in Fließgewässern. Dem Mauerfall verdankt er einiges, zum Beispiel sein Studium in Eberswalde. | Foto: Martin
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Zehlendorf. Dass er vor einem Mikroskop sitzt, kleinste Wasserlebewesen analysiert und damit auch noch seinen Lebensunterhalt verdient, hat Dr. Reinhard Müller dem Mauerfall zu verdanken. "Ich konnte in Eberswalde studieren, in Berlin stimmten die Voraussetzungen nicht."

Sein Fach war Landschaftsnutzung und Naturschutz. Inzwischen ist er spezialisiert auf die Untersuchung von Fließgewässern, befasst sich unter anderen mit dem Makrozoobenthos. "Damit werden wirbellose Gewässertiere bezeichnet, die noch mit bloßen Auge erkennbar sind", erläutert Müller. Diese Winzlinge können Aufschluss über die Wasserqualität geben. Das Interesse an derartigen Lebewesen führt Reinhard Müller, Jahrgang 1963, auf seiner Internetseite halb scherzhaft auf eine "versehentliche frühkindliche Prägung" zurück. "Als ich sieben Jahre alt war, bekam ich ein Buch über Köcherfliegen geschenkt, fand ich sehr spannend."

Bevor Müller sich den Gewässern zuwandte, hatte er aber mehr mit fliegenden Tieren zu tun. Aufgewachsen in Zehlendorf, besuchte er oft das Sonnenhaus am Teltower Damm, eine Einrichtung der Schreberjugend. Dort gab es Bienenstöcke. "Die Bienen faszinierten mich, fand ich abgefahren", sagt Müller.

Schon mit 15 Jahren hatte er seine ersten Völker und produzierte Honig. "Dabei mag ich gar keinen, höchstens in der Salatsoße." Als 20-Jähriger begann er am Zoologischen Institut der Freien Universität Berlin eine Ausbildung zum Tierwirt mit Schwerpunkt Bienenhaltung. Bis zu 100 Völker versorgte er, exportierte seinen Honig nach Westdeutschland. "In Berlin gibt es zahlreiche Linden als Straßenbäume, dieser Honig war im Westen sehr beliebt."

Kaum war aber die Mauer gefallen, sollten die Bienen auch mal was anderes produzieren. "Im Frühjahr 1990, da gab es die Grenze ja noch, bin ich zum Landwirtschaftsministerium in Ost-Berlin, um eine Reisegenehmigung für die Bienen zu erhalten. Ich glaube, ich war der erste, der sowas gemacht hat", sagt Müller. "Die Grenzer in Stolpe fanden es lustig, als ich mit 40 Stöcken ankam." Von da an war Vielfalt angesagt. Im Tagebaugebiet bei Weißwasser gab es Heidekraut, in Fehrbellin Raps, im Oderbruch Sonnen- und Kornblumenfelder.

Trotzdem hatte er mit 33 Jahren genug von den Bienen. "Ich hatte kein Abi, wollte aber immer studieren, da kam der Osten ins Spiel, bot mir neue Möglichkeiten." Er hatte langjährige Berufserfahrung als Imker nachzuweisen, absolvierte Eignungsprüfungen und konnte sein Studium an der Fachhochschule in Eberswalde beginnen, da dort die Imkerei als fachverwandt mit seinem Studiengang anerkannt wurde - im Gegensatz zur in Frage kommenden Fachhochschule in Zehlendorf. Seine Diplomarbeit schrieb er 1998. Sogar die Promotion klappte - nach einer Sonderregelung: "Ich fand zwei Professoren, die meine Doktorarbeit betreuten." 2004 konnte er seine Dissertation vorlegen.

Seit 2002 arbeitet er selbständig in seinem Büro in Lichterfelde, ist oft wochenlang unterwegs, an Gewässern in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder sogar an Rhein und Mosel.

Müllers Resümee: "Dass die Mauer fiel, hat mir extrem viel ermöglicht, wer weiß, wie mein Leben sonst verlaufen wäre."

Ein Leben zumindest hat Reinhard Müller schon zu Mauerzeiten verändert: "Ich hatte natürlich Freunde in Ost-Berlin. Wir besuchten oft den Sophienclub, der damals schon bekannt war. Dort lernte ich 1987 eine Frau kennen, die unbedingt in den Westen wollte, also habe ich sie geheiratet."

Ulrike Martin / uma
Autor:

Ulrike Martin aus Neukölln

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