Aufschlussreiche Feldpostbriefe veröffentlicht

Volker Krieg fand in dieser Margarine-Kiste die Feldpostbriefe seiner Großeltern. | Foto: Christian Schindler
  • Volker Krieg fand in dieser Margarine-Kiste die Feldpostbriefe seiner Großeltern.
  • Foto: Christian Schindler
  • hochgeladen von Christian Schindler

Heiligensee. Der ehemalige Polizist Volker Krieg hat den Briefwechsel seiner Großeltern Margarete und Wilhelm Krieg veröffentlicht, den diese während des Ersten Weltkriegs führten.

Wenn am Ende des Gedenkjahres 2014 zum Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren eine Bilanz der Veröffentlichungen zu dem Thema gezogen wird, muss unbedingt Volker Kriegs "Landwehrmann Krieg im Krieg" hervorgehoben werden. Selten ermöglichen Dokumente, eine Epoche so intensiv aus der Perspektive ganz normaler Menschen nachzuerleben, die zwar nur vier Jahre dauerte, aber Europa und die Welt für immer veränderte.

Dabei ist Volker Krieg weder Historiker noch Schriftsteller. Der Heiligenseer des Jahrgangs 1949 begann seine berufliche Karriere 1968 bei der Bereitschaftspolizei im französischen Sektor von Berlin. Seine Polizeikarriere führte ihn dann durch die gesamte Stadt, nach der Vereinigung auch in deren ehemaligen Ostteil.

Die Dokumentation des Ersten Weltkriegs aus der Sicht der kleinen Leute fiel ihm aus familiären Neugier in die Hände. In einer Kiste fanden sich die Briefe seiner Großeltern, deren jüngerer Sohn Heinz (1910-1987) sein Vater war. Lange hatte Krieg diese Kiste mehr oder weniger ignoriert, schon weil er kaum die damals übliche Kurrentschrift entziffern konnte. Das hat er geändert, und aus den rund 400 Feldpostsendungen eine 312-Seiten gewichtige Auswahl getroffen, von der er sagt, er habe erst dadurch seine Großeltern richtig kennen gelernt.

Ein weiterer Glücksfall für die Publikation war, dass der gelernte Bild- und Schriftlithograph Wilhelm Krieg immer wieder Zeit fand, Zeichnungen von hoher Qualität von seinem Umfeld anzufertigen. Sie illustrieren, wie auch einige wenige Fotos, die Texte.

Wilhelm Krieg hat Glück im Unglück, als er am 5. August 1914 zu einem Pionier-Bataillon nach Spandau einberufen wird und seine Frau Margarete sowie die Söhne Heinz (vier Jahre) und Erich (sieben Jahre) in Charlottenburg zurücklassen muss. Krieg wird nämlich für die Materialversorgung im lang andauernden Stellungskrieg eingeteilt, was heißt, dass ihm die gefährliche Front weitgehend erspart bleibt. Schon Ende September 1914 ist er in Frankreich, und es scheint, als wechsele Willi jetzt fast täglich Briefe mit seiner Grete.

Die Schreiben werden dominiert von Alltagssorgen. Krieg beschreibt unbequeme Einquartierungen, bedankt sich immer wieder für Lebensmittelpakete. Die kann Grete nicht immer so füllen, wie sie es gerne täte, denn auch in der Heimat wird mit der Dauer des Krieges die Versorgung schlechter. Sie berichtet vom Alltag mit den Kindern, von Treffen mit Familienangehörigen. Und sie zieht ihn leicht argwöhnisch damit auf, dass er jetzt noch Französisch lernen will, auch, um sich mit seinen Wirtsleuten zu verständigen.

Das Grauen des Krieges taucht oft blitzlichtartig auf. Der erste Tod im Gefecht, den Krieg beschreibt, handelt von einem Kameraden, der sich mit einem Sprung vor Granaten in Sicherheit bringen will - und ausgerechnet dort landet, wo ein solches Geschoss explodiert. Krieg berichtet von der Beerdigung. Als ihm Grete ein Jahr später den Soldatentod eines Freundes mitteilt, verweist Krieg resignierend auf das Schicksal.

Auffällig ist, dass Krieg nie abfällig über die Franzosen spricht, in deren Land er sich befindet. Zum Jahreswechsel 1914/1915 vermittelt er beinahe eine Brieffreundschaft zwischen einer achtjährigen Französin und seinem siebenjährigen Erich. Er legt Wert darauf, dass sich die Kinder direkt schreiben.

Und manchmal führt Krieg seinen ganz persönlichen Krieg, nämlich gegen anmaßende Offiziere. Als sich einmal ein Infanterie-Offizier zu viele der für die Instandsetzung von Schützengräben gefragten Bretter aus dem Depot geben lässt, informiert er seinen eigenen Vorgesetzten. Die Bretter kommen wieder zurück. Und es scheint ihn auch anlässlich eines Vorfalles zu freuen, dass Kameraden, die wegen Händel mit Vorgesetzten degradiert wurden, wieder ihre früheren Ränge zurückerhalten. Krieg ist im Krieg einfach immer Mensch geblieben.

"Landwehrmann Krieg im Krieg" von Volker Krieg ist im Selbstverlag bei epubli, Berlin, erschienen und kostet 17,95 Euro (ISBN 978-3-7375-0163-7).
Christian Schindler / CS
Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

13 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 187× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 166× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 227× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 603× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.