Zehlendorf. Hände, die einander halten oder sanft auf Schultern liegen, ein verhaltenes Lächeln, ein leicht abwesender Blick – Victoria Tomaschko hat ruhige aber höchst aussagekräftige Motive zum Thema Demenz fotografiert. Zu sehen sind sie in der Ausstellung „Ich halte dich“ im Nachbarschaftscafé der Villa Mittelhof.
Die Porträts zeigen Menschen mit Demenz und Alzheimer, ihre Angehörigen und Betreuende. Die Erkrankung ist meist gar nicht zu erkennen – der Betrachter muss darum wissen, um die ganz „normalen“ Bilder unter einem anderen Aspekt zu sehen. Dann aber berühren sie sehr: Etwa beim Foto eines Betreuers der mit einer Patientin tanzt. Sein Gesicht zeigt Zuneigung und Fürsorge, aber auch Traurigkeit. Oder der Mann der seinen Rucksack packt: Sein Blick scheint zu sagen „Was mache ich eigentlich?“
Mittelhof-Leiter Gerald Saathoff bescheinigte der Fotografin bei der Vernissage einen feinfühligen, freundlichen Blick auf die Porträtierten. „Die Bilder sind sehr persönlich, sehr intim“. Rosemarie Drenhaus-Wagner, Gründer der Alzheimer-Angehörigen-Initiative (AAI) bezeichnete den Titel der Ausstellung als sehr gelungen. „Ich finde ihn wunderbar, er signalisiert, wie viel die Angehörigen tagtäglich leisten, sie versprechen den Erkrankten: ,Ja, ich halte dich in dieser schwierigen Zeit, wenn die Welt immer fremder wird, wenn du am Abgrund der Hilflosigkeit stehst.‘“ Petra Glasmeyer von der Selbsthilfekontaktstelle sprach von einer bemerkenswerten Kooperation zwischen der AAI und Victoria Tomaschko: „Entstanden sind Werke, die eine besondere Präsenz und Stille ausstrahlen.“
Victoria Tomaschko hat bereits vor zwei Jahren, zum 20-jährigen Jubiläum der AAI, das im Mittelhof gefeiert wurde, fotografiert. Die Bilder kamen so gut an, dass sie den Auftrag für die aktuelle Ausstellung erhielt. In diese Arbeit hat sie viel Zeit investiert. Sie besuchte betroffene Familien zu Hause, war bei Selbsthilfegruppen und in Pflegeeinrichtungen zu Gast, schaute beim Alzheimer-Tanzcafé zu. „Ich habe die Menschen kennengelernt, konnte Vertrauen aufbauen, das war mir ein großes Anliegen.“ Sie hat sich mit dem Thema Demenz beschäftigt, recherchiert, zum Teil ganze Tage mit den Porträtierten verbracht. Und dabei ergaben sich immer die richtigen Momente auf den Auslöser zu drücken, eine bestimmte Geste oder einen Blick einzufangen. „Die Arbeit hat mich emotional natürlich sehr bewegt. Es war mir wichtig, das, was ich erfahren habe, auch abzubilden.“ Derzeit überlegt sie, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen: „Ich könnte mir vorstellen einen der Porträtierten ein Jahr lang fotografisch zu begleiten.“
Die Ausstellung ist bis 26. November im Mittelhof, Königstraße 42-43, zu sehen, danach soll sie auf Wanderschaft gehen. „Wir wollen die Menschen für das Thema Demenz sensibilisieren, sie sollen die Fotos auf sich wirken lassen“ erklärte Petra Glasmeyer von der Kontaktstelle Pflege-Engagement im Mittelhof. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr. uma
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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