Politische Diskussion über Zwangsräumung entbrannt
Reinickendorf. Für die zwei Tage nach der Zwangsräumung ihrer Wohnung am 9. April verstorbene Rentnerin Rosemarie F. haben Anwohner eine kleine Trauerstätte vor ihrem ehemaligen Wohnhaus angelegt.
Kerzen werden regelmäßig entzündet, immer wieder Blumen niedergelegt. Auf einem schwarzen Schirm, der daneben liegt, steht in weißen Buchstaben: "Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit." Der Baum, um den sich dieses Ensemble gruppiert, steht vor dem Haus Aroser Allee 92. Hier wohnte Rosemarie F. seit vielen Jahren, wie Nachbarn berichten. Ihre Mietzahlungen hatte die schwer behinderte 67-Jährige schon im vergangenen Jahr eingestellt. Auf Kontaktversuche des Sozialpsychiatrischen Dienstes reagierte sie nicht, Handwerker ließ sie nicht mehr in die Wohnung. Die Vermieterin sprach die Kündigung aus. Nach einigen juristischen Scharmützeln wurde die Wohnung am 9. April zwangsgeräumt.
Wie berichtet, kam Rosemarie F., die auch in dieser Zeit amtliche Hilfe ablehnte, bei Aktivisten des Bündnisses gegen Zwangsräumung unter. Einen Tag später, am 10. April, wurde ihr eine Unterkunft in der Weddinger Kälte Nothilfe angeboten. Dort wurde sie am 11. April von einem Mitbewohner nachmittags leblos in ihrem Bett vorgefunden. Das Ergebnis der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Obduktion lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.
Inzwischen ist eine politische Diskussion darüber entbrannt, ob die Zwangsräumung nicht doch hätte verhindert und Rosemarie F. nicht doch hätte amtliche Hilfe zu Teil werden können. Der Piraten-Verordnete Michael Schulz will sich die offiziellen Akten zu dem Fall ansehen. Der Kreisvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Marvin Hassan, sieht die Politik in der Pflicht, "ein System vorzuhalten, in dem es gar nicht erst zu Zwangsräumungen kommt". Es sei zu prüfen, wie Menschen, die sich nicht selbst helfen können, durch die notwendigen Alltagsaufgaben begleitet werden. Auch Angebote wie Hausbesuche gehörten auf den Prüfstand.
Christian Schindler / CS
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