Heim_Spiel von zehn Künstlerinnen: Ausstellungsreihe des Frauenmuseums Berlin

"Schlaf Kindlein, schlaf" von Heike Ruschmeyer. | Foto: Heike Ruschmeyer
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Hermsdorf. "Heim_Spiel" – jetzt im Museum Reinickendorf – ist eine 2012 vom Frauenmuseum Berlin entwickelte Ausstellungsreihe, die in Berlin lebenden und professionell arbeitenden Künstlerinnen Gelegenheit zur Präsentation gibt.

Zugelassen sind jeweils nur Bewerberinnen, die im Bezirk leben oder arbeiten, in dem die Ausstellung stattfindet – in diesem Fall Reinickendorf.

"Unsere Seele ist eine Wohnung, und wenn wir uns an Häuser und Zimmer erinnern, lernen wir damit in uns selbst zu wohnen. (…) Die Bilder des Hauses bewegen sich in zwei Richtungen. Sie sind in uns, ebenso wie wir in ihnen sind." Dieses Zitat des französischen Philosophen Gaston Bachelard ("Poetik des Raumes") formuliert passend, dass der thematische Rahmen "Heim_Spiel" einerseits einen persönlichen Zugang erlaubt oder sogar erfordert, gleichzeitig aber auch zu kritischer Distanznahme einlädt. Entsprechend vielfältig sind auch die Interpretationen der zehn Künstlerinnen, die eine vierköpfige Jury aus 50 Bewerbungen auswählen konnte.

Trinkhalme und LEDs

Carola Dinges’ aus Linien gebaute, abstrakte zweidimensionale "Räume" etwa sind eher zugig und kalt. Sie laden nicht zum gemütlichen Verweilen, sondern zum analytischen Hinsehen ein. Gudrun Fischer-Bomerts aus Trinkhalmen und LED-Leuchten bestehende Installation Fata Morgana hat aus der Ferne deutlich die Form eines Hauses – dessen Konturen sich beim Näherkommen auflösen. Sie bezieht sich damit auf den im Zusammenhang mit den Flüchtlingsbewegungen aktuell thematisierten Begriff von "Heimat", der nicht nur konkreter Ort als vielmehr das Gefühl zeitweiser Geborgenheit sein kann. Für Andrea Hartinger ist das "Heim" auch ein geschützter Inspirationsort. Immer vorhanden als Gegenpol ist jedoch die Existenz des Un-heim-lichen im Inneren sowie als Bedrohung von Außen. Beate Hoffmeister interpretiert "Heimat" in der globalisierten Welt vor allem als Netzwerk sozialer Kontakte – die Kontaktaufnahme per Smartphone zu Freunden und Verwandten scheint uns Halt zu geben, wo immer wir uns befinden. Die Collagen der Künstlerin greifen auf ein Material zurück, das in vordigitalen Zeiten täglich benutzt wurde: das Telefonbuch.

Cathy Jardons Zugang ist weniger konkret: die Malerin arbeitet gänzlich abstrakt. Ihre farbintensiven Kompositionen lassen aber vielfältige Assoziationen zu, etwa auch zu den parzellierten Weinlandschaften, die in der Gegend Frankreichs, aus der die Künstlerin stammt, die Landschaft prägen. Jani Pietsch hat für ihre Videoinstallation "Ausgesperrt aus Europa" die südlichste europäische Landgrenze zu Fuß und mit dem Fahrrad erkundet und heimlich die Grenzanlagen gefilmt. Die Antworten von 33 Berlinern auf ihre Frage, warum sie ihr Zuhause verlassen haben, wurden zur Tonspur auf dem Video, das sie als Plädoyer für ein offenes Europa versteht.

Heike Ruschmeyers Blick in ein Familienschlafzimmer ist Abbild eines Horrorszenarios, die Thematik – erweiterter Suizid – zeigt einen tragischen Aspekt dessen, was in einem "Heim" auch geschehen kann: Überforderung, Depression, Aggression – und die Unfähigkeit, seinen Nächsten einen anderen Weg zuzugestehen.

Ein Gefühl des Zuhauseseins

Zuzanna Schmukalla, die vor zwei Jahren nach Berlin zog, reflektiert gerade auch aufgrund ihres Umzugs, was das Gefühl des Zuhauseseins ausmacht und findet im Genre des Stilllebens ein Konzentrat von "Heim". Ihre abstrakten Bilder lassen zwar keine Gegenstände erkennen, sie beziehen sich in Komposition und Farbigkeit aber auf dieses alte Genre, in dem "alles seinen Platz hat".

Sarah Straßmann widmet sich in ihrer Fotoserie von Innenräumen (The Void) der Abbildung des Unsichtbaren. Die auf den ersten Blick vertrauten Sujets, die sich ausnahmslos im häuslichen Kontext verorten lassen, lösen bei näherer Betrachtung ambivalente Gefühle aus. Was anfänglich anheimelnd wirkt, wird kurz darauf als unheimlich empfunden.

Für Christiana Wirthwein-Vormbäumen ist Malerei einerseits Mittel, um zu sich zu kommen, andererseits aber auch, um in ihren Bildern Entwurzelung und Sehnsucht zu thematisieren.CS

Die Ausstellung ist zu besichtigen bis zum 29. Mai montags bis freitags und sonntags von 9 bis 17 Uhr in der GalerieETAGE im Museum Reinickendorf, Alt-Hermsdorf 35. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen unter www.museum-reinickendorf.de.
Autor:

Christian Schindler aus Reinickendorf

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