Fotos zeigen Kiez in den Siebzigern und Achtzigern

"1. Mai 1987" heißt dieses Foto von Michael Hughes. | Foto: Copyright: Michael Hughes
  • "1. Mai 1987" heißt dieses Foto von Michael Hughes.
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Kreuzberg. Händler verkaufen Schafwolle auf der Straße. Ein Liebespaar sitzt vor der Mauer. Auf einer Wand in der Görlitzer Straße ist die Aufschrift zu lesen: "Wer keinen Mut zum träumen hat, hat keine Kraft zum kämpfen."

Szenen aus dem Kreuzberg der 70er und 80er Jahre, die seit dem 3. November in einer Fotoausstellung in der Markthalle am Marheinekeplatz zu sehen sind. Die Bilderschau unter dem Titel "AugenBlicke. Stillstand und Bewegung" dokumentiert eine Zeit, die gefühlt schon viele Epochen zurückliegt. Die aber den Grundstein zu dem legte, was heute gemeinhin als "Mythos Kreuzberg" bezeichnet wird.Historisch muten viele Fotos nicht nur deshalb an, weil sie ausschließlich in Schwarz-Weiß aufgenommen wurden. Sondern auch, weil sich viele Orte heute ganz anders darstellen. Etwa Wolfgang Krolows Schnappschuss aus dem Görlitzer Park. Eine Öde ist dort zu sehen, über die eine einzelne Frau ihren Weg nimmt. "Himmel über der Wüste" ist dieses Bild betitelt. Wie anders sieht es dort heute aus.

Überhaupt die grauen Fassaden, die heruntergekommenen Gebäude, die Menschen, die allesamt nicht unbedingt nach Reichtum aussehen - alles scheint, als liege der ganze Kiez, wie es auch der Begleittext zur Ausstellung beschreibt, unter einem Grauschleier. Ein abgekoppeltes, weitgehend vergessenes Gebiet im Schatten der Mauer.

Wo allerdings, gerade dadurch ein besonderer Biotop entsteht. Arme, Studenten, Aussteiger leben hier oder ziehen hierher. Am geplanten und an vielen Stellen vollzogenen Kahlschlag der Quartiere entzündet sich Widerstand. Dessen Höhepunkt datiert auf den 1. Mai 1987, dem Ausgangspunkt aller seither mehr oder wenige heftig stattfindenden Mai-Randale. Schon zuvor war Kreuzberg eines der Zentren der Hausbesetzerbewegung und vor allem daran gekoppelt, dem Ausprobieren neuer alternativer Lebensformen.

Das alles prägt die Erzählungen, die Legende bis in unsere Tage. Und für Ende dieses Zeitabschnitts gibt es ein konkretes Datum, das auch in der Ausstellung vorkommt. Nämlich der 9. November 1989. Fotos zeigen tausende von DDR-Bürgern, die in den Tagen und Wochen nach dem Mauerfall über die Oberbaumbrücke in diese Nischengegend kommen und auch dort mit Bananen begrüßt werden. Die Idylle befand sich jetzt wieder in der Mitte des zusammen wachsenden Berlin.

Seither hat Kreuzberg sein Gesicht ziemlich verändert. Unsanierte Häuser finden sich nur noch wenige. Finanziell potente Neubürger haben den Kiez als angemessene Wohnlage entdeckt. Touristen ziehen durch die Straßen, in denen sich Kneipen und Geschäfte aneinander reihen. Wer hier nicht mehr mithalten kann, wird verdrängt.

Veränderungen, die gerade bei reiferen Jahrgängen für eine Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Zeit sorgen. Gerade sie werden bei der Ausstellung deshalb mit vielen Aha-Erlebnissen konfrontiert. Aber gleichzeitig wird deutlich: Trotz aller negativen Begleiterscheinungen ist Kreuzberg heute bunter. Und das liegt nicht nur an den schwarz-weiß Fotos.

Die Ausstellung wird bis 1. Dezember gezeigt. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 8 bis 20 Uhr, Sonnabend, 8 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Unter dem Titel "Gefühl und Härte, Aufbruch und Absturz rund um die Oranienstraße" gibt es am Donnerstag, 15. November, eine Veranstaltung im Bezirksmuseum, Adalbertstraße 95A mit Musik, Lesungen, Projektionen und Zeitzeugengesprächen. Beginn ist um 20 Uhr. Am 29. November wird im Museum das Buch zur Ausstellung vorgestellt. Es erscheint im Berlin Story Verlag und kostet 19,80 Euro.
Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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