Eine Ausstellung in der Marheineke-Markthalle aus aktuellem Anlass

"Ein Vorkommnis in der Bezirkshaftanstalt". Stasi-Akten zum Tod von Matthias Domaschk. | Foto: Frey
  • "Ein Vorkommnis in der Bezirkshaftanstalt". Stasi-Akten zum Tod von Matthias Domaschk.
  • Foto: Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. Am 2. November wurde in der Browse-Gallery in der Markthalle am Marheinekeplatz die Ausstellung "Jugendopposition und Repression in der DDR" eröffnet. Die Schau an diesem Ort ist allerdings ist weit mehr als lediglich eine Erinnerung an die jüngste deutsche Vergangenheit.

Im vergangenen Sommer war bekannt geworden, dass Horst Köhler, der Center-Manager der Markthalle, rund zwei Jahrzehnte als hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministerums für Staatssicherheit tätig war. Als damaliger Stasi-Hauptmann führte er im April 1981 die letzten Vernehmungen mit Matthias Domaschk. Matthias Domaschk gehörte zu einem Widerstandskreis, der sich seit den 1970er Jahren in Jena gebildet hat. Er wurde am 10. April 1981 im Zug verhaftet, als er eine private Reise nach Berlin antreten wollte. Im Gefängnis wurde er zwei Tage später tot aufgefunden. Woran er gestorben ist, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Horst Köhler hat sich dazu niemals geäußert. Seine Karriere bei der Stasi kam nach dem Tod von Domaschk erst richtig in Fahrt. Er wurde in die Berliner Zentrale versetzt und war im Rang eines Majors Mitarbeiter der Hauptabteilung XX. Als die Vorwürfe öffentlich wurden, beendete die Berliner Großmarkt GmbH das Arbeitsverhältnis mit Köhler. Diese Entscheidung bedeutete aber nicht, "dass wir ihn schuldig sprechen", erklärte Geschäftsführer Andreas Foidl bei der Eröffnung. Für ihn ist an der ganzen Geschichte ein anderer Aspekt frappierender und nachdenkenswerter. "Ich hätte nicht geglaubt, dass uns dieses Thema in der Kreuzberger Markthalle einmal ganz konkret und individuell betrifft." Deshalb habe er nach anfänglicher Zurückhaltung die Ausstellungs-Idee unterstützt. "Wir befassen uns zu wenig mit der eigenen Geschichte". Die Historie der DDR-Opposition und Stasi-Repression gelte im ehemaligen West-Berlin noch immer als besonderes Spezifikum des Ostens, mit dem es eigentlich wenig Berührungspunkte gebe. Dass das zu kurz gedacht sei, zeige nicht nur der Fall Horst Köhler.

Er werfe darüber hinaus Fragen auf, die immer noch aktuell seien, meint Jan Drieselmann, Geschäftsführer des Stasimuseums Berlin. Unabhängig von juristischer Verantwortung habe Köhler Schuld auf sich geladen. "Schuld, weil er in das Leben vieler Menschen eingegriffen und es oft zerstört hat." Schuld auch, weil er sich freiwillig und anscheinend mit Begeisterung der Staatssicherheit gedient habe. "Denn niemand wurde dort hingeprügelt." Das führe wiederum zu der Frage, unter welchen Bedingungen sich jemand einer solchen Tätigkeit verschreibt? Welche Eigenschaften und Erklärungen bringt er dafür mit?

Antworten darauf versucht einer der drei Schwerpunkte der Ausstellung zu geben, der mit dem Titel "Alles zum Wohle des Volkes" umschrieben ist. Dokumentiert sind hier die letzten Tage von Matthias Domaschk aus der Sicht der Stasi. "Uns interessiert dabei bewusst nicht das wirkliche Geschehen, sondern das Bild der Mächtigen von der Realität", sagt Drieselmann. Der Ausstellungsbesucher soll auf diese Weise dazu animiert werden, sich kritisch und selbstreflektierend mit dem Herrschaftssystem und seinen Akteuren auseinander setzen. Auch mit den Auszügen aus der Stasi-Akte von Horst Köhler, die hier ebenfalls zu sehen sind. Für 2014/15 plant das Stasimuseum eine große Dauerausstellung zu diesem Thema.

Die beiden weiteren Bereiche kommen von der Robert Havemann Gesellschaft und skizzieren die Vorgeschichte der Verfolgung von Matthias Domaschk. Ihr Ausgangspunkt war nicht nur bei ihm der Protest gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann im November 1976. Außerdem geht es an Hand weiterer biografischer Beispiele um die Jugendopposition in der DDR.

Auf diese Weise gibt die Ausstellung einen Einblick in einen Repressionsapparat und seine Auswirkungen für diejenigen, die dagegen aufbegehrten. Sie soll aber auch für heutige Bedrohungen der Freiheit sensibilisieren.

Geöffnet ist bis 30. November, Montag bis Freitag von 8 bis 20, Sonnabend, 8 bis 18 Uhr.
Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 186× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 161× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 223× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 603× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.