Kommunale Galerie befasst sich mit dem Begriff "Abwesen"

Eindringlich, aber unpersönlich: Bei Karoline Schneiders Fotografien spielte die Technik eine größere Rolle als Eigenarten ihrer Modelle. | Foto: tsc
2Bilder
  • Eindringlich, aber unpersönlich: Bei Karoline Schneiders Fotografien spielte die Technik eine größere Rolle als Eigenarten ihrer Modelle.
  • Foto: tsc
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Wilmersdorf. Die eine lichtete Menschen mit Chemikalien ab. Die andere erschuf bizarre Hülsen, denen das Leben entwich. Was Karoline Schneiders Fotografien und Eriko Yamazaki Kunstgebilden gemein haben, ist das Andeuten von dem, was nicht da ist.

An diesen Zwillingen geht man nicht einfach vorbei. Wie das Schwarz-Weiß ihrer Augen heraussticht, wie ihre ernsten Gesichter in einem Schleier von Störeffekten schwimmen - das bringt den Rundgang des Kunstfreunds ins Stocken. Karoline Schneiders Bilder sind übersät mit fleckigen Zufallsprodukten. Ihre Aufnahmetechnik hielt das Einfallstor für das Unvorhersehbare weit geöffnet. Diese Porträts - sind das Gemälde oder Fotografien?

Wer die Einladungskarten der Ausstellung "Abwesen" kennt, weiß dass Karoline Schneider letzteres zeigt. Nicht die abgelichtete Person war für sie von Interesse, sondern ihre Idee von dieser Person. Diese unpersönliche Fotografie gelingt mit Hilfe einer chemischen Technik, die schnelles Arbeiten erfordert. Maximal zehn Minuten hatte sie Zeit, das Bild zu entwickeln, bevor die fotografische Chemikalie getrocknet war. Zwei Sekunden Belichtungszeit sorgten für höchste Verwacklungsgefahr. "Manchmal reichte der Herzschlag des Fotografierten aus, um das Bild unscharf zu machen", sagt Sabine Kolb, die zur Ausstellung eine Einführungsrede hielt. Das Gegenmittel: "Die Künstlerin spannte ihre Fotomodelle in eine Halterung, um sie zu fixieren." Ungeplantes widerfuhr Schneider natürlich trotzdem. "Ich bin froh, wenn der Zufall mitspielt. So viele Ideen kann ich gar nicht haben."

An ihre Bilder kommt niemand heran, ohne der organisch-grauen Gebilde gewahr zu werden, die den Ausstellungsraum der Kommunalen Galerie übersähen. Termitenhügel könnten es sein, Korallen, Nester von unbeschreiblichen Tieren. Wie Wucherungen haften die Kunstwerke Eriko Yamazakis sogar in den Winkeln der Galerie. Sie ist die zweite Ausstellerin im Bunde. Die zweite Künstlerin, die zeigt, was fort ist. Eine Mischung aus Pappmaschee und ungebranntem Ton, das war ihr widerspenstiges Material. Alle Hülsen sind hohl und haben Ausgänge, als seien die Bewohner flügge geworden. Mit Mutmaßungen über das Verschwundene bleibt der Betrachter zurück. Er sieht die Ruinen des gewichenen Lebens.

"Wir haben lange um einen Titel für die Ausstellung gerungen", erklärt Rachel Kohn vom Frauenmuseum. In Absprache mit der Kommunalen Galerie hatte man sich diesem schwierigen Projekt gewidmet. Mit dem Kunstwort "Abwesen" als Klammer für beide Werkgruppen waren schließlich alle Beteiligten zufrieden. Ein Begriff, den der Philosoph Byung-Chul Han einst geprägt hat. "Er bedeutet das Gegenteil zur Anwesenheit des Ichs", so Kohn. Mit anderen Worten: Das Wesentlich fehlt, und der Überrest verpflichtet den Betrachter zur gedanklichen Ergänzung. Wo das "Abwesen" herrscht, braucht es die Gegenwart des Geistes.

Die Ausstellung "Abwesen" in der Kommunalen Galerie, Hohenzollerndamm 176, ist bis 30. März geöffnet. Di-Fr 10 bis 17 Uhr, Mi 10 bis 19 Uhr, So 11 bis 17 Uhr.
Thomas Schubert / tsc
Eindringlich, aber unpersönlich: Bei Karoline Schneiders Fotografien spielte die Technik eine größere Rolle als Eigenarten ihrer Modelle. | Foto: tsc
Hülsen aus Pappmaschee und ungebranntem Ton: Eriko Yamazakis Gebilde wirken wie Überbleibsel verschwundenen Lebens. | Foto: Schubert
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 114× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 232× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 214× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 69× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 276× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 629× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.