Schülerinnen und Schüler erinnern an Zwangsarbeiter

Corinna Tell (links) vom Stadtentwicklungsamt und Mareen Maaß vom Verein "Denk mal an Berlin" mit dem Materialkoffer. | Foto: Schilp
  • Corinna Tell (links) vom Stadtentwicklungsamt und Mareen Maaß vom Verein "Denk mal an Berlin" mit dem Materialkoffer.
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Rudow. Fotos, Briefe, Stacheldraht, ein Lageplan, Aufnäher, Karten mit Zitaten, Fragen und Informationen. Das alles findet sich im "Materialkoffer Zwangsarbeit", der kürzlich im Museum Neukölln präsentiert wurde und den Schulen dort ausleihen können.

Den Anstoß zu diesem Projekt gab der geplante Umzug der Clay-Oberschule auf das ehemalige Eternit-Grundstück. Die Schule mit ihren 1100 Kindern und Jugendlichen muss sich seit 25 Jahren mit Containerbauten am Bildhauerweg behelfen. Ihr ursprüngliches Gebäude an der Lipschitzallee musste sie wegen Asbestverseuchung verlassen. Jetzt endlich ist die Finanzierung eines Neubaus gesichert, der 2019 fertig sein soll. Der Standort: das Areal zwischen Neudecker Weg, August-Fröhlich- und Köpenicker Straße.

"Vor drei Jahren wurde bekannt, dass es hier im Zweiten Weltkrieg ein Lager für Zwangsarbeiter gab und eine Wirtschaftsbaracke noch steht", berichtet Museumsleiter Udo Gößwald. Nach langem Hin und Her erlaubte das Landesdenkmalamt, die Baracke abzureißen - auch weil der Bau mit Schadstoffen belastet ist. Im Gegenzug verpflichtete sich das Bezirksamt, archäologische Grabungen, den Abriss und dessen Dokumentation zu bezahlen.

Außerdem wollte man für ein angemessenes Gedenken sorgen. In diesem Zusammenhang entstand die Idee für den Materialkoffer. Aufgerufen vom Verein "Denk mal an Berlin" beschäftigten sich Zehntklässler der Clay-Schule eine Woche lang mit dem Thema Zwangsarbeit und redeten auch beim Inhalt des Koffers mit, den Mareen Maaß vom Verein und Corinna Tell vom Stadtentwicklungsamt zusammengestellt hatten.

"Sechs Themenbereiche finden sich im Koffer wieder: Arbeit, Rassenideologie, Alltag, Ernährung und Hygiene, Luftschutz und Selbstbehauptung", erklärt Mareen Maaß. Sie zeigt ein Stück Stacheldraht und verrostete Nägel, Originalstücke aus dem KZ-Außenlager am Columbiadamm, und ein winziges Stück Seife, mit dem ein Zwangsarbeiter drei Monate lang auskommen musste. Auf einem Foto ist ein "Russenbrot" zu sehen. Die Bestandteile: 50 Prozent Roggenschrot, 20 Prozent Zuckerrübenschnitzel, 20 Prozent Holzmehl, 10 Prozent Strohmehl oder Laub - empfohlen vom Reichsernährungsministerium.

Schlecht ging es allen Zwangsarbeitern, den "Ostarbeitern" und den russischen Kriegsgefangenen aber besonders schlecht. Sie mussten ein besonders Kennzeichen an der Brust tragen, ein weißes "Ost" auf blauem Grund, ein "Normalarbeiter" bekam nur halb so viel Fleisch am Tag wie sein Kollege aus einem westlichen Land. Wurden Ostarbeiterinnen und -arbeiter beim Geschlechtsverkehr erwischt, kamen sie sofort ins KZ.

Zwangsarbeit ist kein Randthema. "Insgesamt wurden 26 Millionen Personen verhaftet und verschleppt. In Berlin gab es eine halbe Million Zwangsarbeiter und etwa 3000 Lager, davon rund 40 in Neukölln", sagt Udo Gößwald. Eingesetzt wurden die Arbeiter in vielen Betrieben. Die Rudower Lagerinsassen schufteten in zwölf Firmen, unter anderem bei Eternit und AEG.

Es gibt drei Exemplare des Materialkoffers, inklusive Begleitheft und pädagogischen Konzepten für Projektstunden, -tage oder -wochen.

Die Koffer können beim Museum Neukölln ausgeliehen werden, 627 27 77 27, E-Mail: info@museum-neukoelln.de.
Susanne Schilp / susch
Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

25 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 186× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 161× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 223× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 603× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.