Mit Ungewöhnlichem zieht das Alhambra Publikum an

Ziemlich aufgeweckt: Alhambra-Chefin Hanna Dobslaw. | Foto: Dirk Jericho
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Wedding. Kino um sechs Uhr morgens, Kaffeekränzchen für Omas am Nachmittag: Das Multiplexkino Alhambra in der Seestraße lockt mit besonderen Angeboten.

Am 13. Dezember steht Hanna Dobslaw wieder um halb fünf auf, macht sich fertig und fährt von ihrer Weddinger Wohnung ins nahegelegene Alhambra. Im Kino bäckt sie Brötchen auf, dekoriert die Wurstplatten und kocht Kaffee. Um sechs kommen die Filmfans zum Frühstück. Sie wollen um 6.30 Uhr den Film "Der Hobbit" sehen, ein paar Stunden vor dem deutschen Kinostart von Peter Jacksons neuem Fantasiekracher. "Frühstarter" heißt die Preview mit Frühstück im Alhambra, "die aufgeweckteste Kinovorstellung der Stadt", wie Dobslaw sagt. Kein anderes Kino schmeißt so früh morgens seine Projektoren an. Und wer will um 6.30 Uhr vor der Leinwand hocken? Beim letzten James-Bond-Film zum Beispiel war eine Versicherung gleich mit 40 Angestellten da. Auch etliche Charité-Schwestern und Schering-Mitarbeiter hatten Lust auf die Bond-Baguette-Kombi, hat die 32-jährige Kinochefin mitbekommen. Ob sie nach dem Film zur Schicht gegangen sind oder die Nacht mit dem Filmfrühstück ausklingen lassen haben, weiß sie nicht so genau.

Hanna Dobslaw ist sicher, dass ihre Aktionen das Image des Kinos positiv verändert haben. Die Besucherzahlen steigen. Seit drei Jahren leitet Dobslaw das schicke Multiplex, das durch die Insolvenz des Vorbesitzers und manche brenzlige Situationen von türkischen Halbstarken öfter mal in den Schlagzeilen war.

Es ist noch nicht lange her, da liefen in den sieben Sälen hauptsächlich türkische Filme. Streitereien, Randale und aufgeschlitzte Kinosessel; alles vorgekommen. "Das Alhambra hatte keinen guten Ruf", so Dobslaw. Auch heute noch läuft im Alhambra jeder türkische Film, der im Verleih zu haben ist. Doch Hanna Dobslaw hat das auf maximal zwei Filme beschränkt.

Für Kinoexperten ist der Standort in Wedding ein schwieriges Pflaster. Es gibt keinen Parkplatz, die Leute im Kiez haben wenig Geld. Spezielle Angebote für verschiedene Zielgruppen, das ist Dobslaws Strategie.

Ein Renner ist auch das Filmcafe; ein Kaffeekränzchen im Foyer mit anschließendem Kinogenuss. 30 Stammkunden, vor allem ältere Damen, kommen jeden Mittwochnachmittag. Hanna Dobslaw bäckt eigenen Kirschstreusel, Bienenstich, Zupfkuchen oder Stolle. Was in der kommenden Woche aufs Blech kommt, entscheiden die Besucher. Vor jedem Film begrüßt Hanna Dobslaw die Omas, fragt ob es geschmeckt hat und was sie beim nächsten Mal machen soll. Für die Alten ist das Alhambra mittlerweile ein Treffpunkt geworden, mit den Freundinnen etwas zu unternehmen. Sie erzählen auch weiter, "dass wir kein riesengroßer Glaspalast ohne Seele sind", so Dobslaw.

Frühstarter-Kino "Der Hobbit" am 13. Dezember ab 6 Uhr kostet 13,40 Euro inkl. Frühstücksbuffet und Getränken - Filmbeginn 6.30 Uhr. Filmcafe jeden Mittwoch um 15 Uhr kostet 5,50 Euro inklusive Kaffee und Kuchen.

100 Jahre Kinogeschichte

Das Cineplex Alhambra, wie das Kino mit sieben Sälen und 1400 Plätzen heute heißt, hat eine 100-jährige Geschichte. Hier in der Seestraße Ecke Müllerstraße flimmerten bereits 1912 im Gartenlokal "Sachon" in einem Hinterzimmer Stummfilme über die Leinwand. 1916 eröffnete an dieser Stelle das kleine Stummfilmkino Apollo. Fünf Jahre später wurde das Haus umgebaut und bekam den Namen Alhambra. Durch schwere Bombentreffer Ende des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde das Haus abgerissen und 1953 neu errichtet. Weil der Bau marode und ein einziger Kinosaal auch nicht mehr zeitgemäß war, ließ Erbe Leopold Wegenstein das alte Alhambra 1999 abreißen und eröffnete am 8. Mai 2002 eines der modernsten Multiplexkinos Berlins.

Mit dem 14 Millionen Euro teuren Neubau hatte sich Wegenstein allerdings schwer verhoben und musste 2004 Insolvenz anmelden. Die Betreiberfirma "To the movies" hatte den Kinotempel erst gepachtet und schließlich von der Gläubigerbank gekauft.

Dirk Jericho / DJ
Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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