Erleuchtung in Etappen: Im Shinnyo-Center befolgen Stressgeplagte Buddhas Lehren

Buddhistischer Lotse: Andreas Fiol hilft beim Umgang mit belastenden Gedanken. | Foto: Schubert
  • Buddhistischer Lotse: Andreas Fiol hilft beim Umgang mit belastenden Gedanken.
  • Foto: Schubert
  • hochgeladen von Thomas Schubert

Charlottenburg. Hoch über einer der quirligsten Kreuzungen Berlins ergeht sich eine wachsende Gemeinde in buddhistischer Meditation. Ziel des japanischen Shinnyo-En: Entfaltung von Glückseligkeit und Dankbarkeit. Wie das funktioniert? Reporter Thomas Schubert probierte es aus.

Ein Stuhlkreis auf dem hellen, weichen Teppich. Und in der Mitte unser Übungsleiter. Ein Priester, der die Gäste dieses Abends mit fast schüchterner Freude willkommen heißt. Andreas Fiol. Klingt nicht sonderlich japanisch - und in der Tat handelt es sich um einen Hanseaten. Aber dass Fiol daheim in Hamburg weilt, ist eine Seltenheit, befindet er sich doch die meiste Zeit auf Reisen im Dienste des Shinnyo-En, einer buddhistischen Glaubensrichtung, die vor 2500 Jahren ihren Anfang nahm.

Dies ist das Shinnyo-Center Berlin. Eine schlichte Bürohausetage hoch über der tosenden Kreuzung von Joachimsthaler Straße und Kurfürstendamm. Der Großstadtstress muss gar nicht draußen bleiben. "Bringen Sie Ihre Gedanken ruhig mit", ermuntert uns Fiol. Was ihn selbst umtreibt, gibt der Priester gleich bekannt: Der Germanwings-Absturz in den französischen Alpen macht ihn als Vielflieger tief betroffen.

Shinnyo-En will beim Loslassen helfen, Weisheit herbeiführen nach den Lehren Buddhas. Der Schlüssel dazu: die Meditation. Unsere Augen werden wir nun nach innen richten, um dort etwas Gutes zu erfahren. In drei Stufen versucht Fiol, Verspannungen zu lösen, nimmt das, was gerade in der Welt geschieht, als Ansatz zur Selbsterkenntnis. Der Flugzeugabsturz, das ist auch für mich das Weltereignis des Abends. Aber bei Stufe eins geht es um etwas anderes: zur Ruhe kommen. Fiol lässt uns die Augen schließen. In typischer Gebetshaltung mit ineinander gelegten Händen folgen wir seiner Stimme, richten alle Aufmerksamkeit auf den eigenen Atem. Ein kurzer Gongschlag holt uns nach wenigen Minuten zurück. Aber in Phase eins gelangt man auch nicht weit weg vom Hier und Jetzt: "Wenn Sie das gleich beim ersten Mal schaffen, wäre das übermenschlich."

Echte Erleuchtung, versichert Fiol, ist schwerer zu erlangen als Reichtum. Also heißt es üben, am besten unter kundiger Führung. 200 Aktive versuchen das im Shinnyo-Center Berlin. In Hamburg und München ist die Gemeinde schon größer. Dort gibt es ganze Tempel.

Als Novizen beim offenen Gebet begeben wir uns jetzt in Stufe zwei: Wieder treffen sich die Augenlider, wieder geben wir uns der Stille hin, hören leise Anweisungen, riechen den Weihrauch, der hinter dem Priester Wölkchen bildet. Diesmal sollen wir uns im Geiste an einen Ort unserer Wahl begeben.

Und ich sitze wieder an Bord des Flugzeugs, das mich vor einigen Wochen von Barcelona nach Berlin trug, nur einige Tage vor der Katastrophe. Die Ereignisse haben meine Urlaubserinnerungen überschattet. Ich denke mehr ans Fliegen als an die Reise. Nun versuche ich diese Gedanken von außen zu betrachten, auf Empfehlung von Fiol. Ein Sinkflug beginnt, aber ein gewollter. Wie der vorgestellte Airbus in meinen Gedanken, so senkt sich auch mein geistiger Bug in tiefere Bewusstseinsschichten. Der Abstieg soll kontrolliert gelingen, mit Vertrauen in "die da vorne". Es sind friedliche Momente, und ich sehe mich selbst von außen Richtung Erde sacken - bis der Gong erklingt.

Und nach kurzer Pause schließlich Phase drei. Wieder besuchen wir den besonderen Ort, wieder als Zeugen der eigenen Gedanken. Diesmal ist eine Person dabei, die wir in unser Gebet mit einschließen sollen. Beim Beten Dankbarkeit verspüren, das ist das Ziel. Dankbar bin ich an diesem Abend geworden. Dafür, dass der Sinkflug mit Wunschperson gelingt. Und ich kann mich an meine Barcelona-Reise jetzt tatsächlich etwas entspannter erinnern. Ein bisschen Erleuchtung.

Wer Mitglied der Gemeinde werden möchte, dem wird eine monatliche Spendengebühr empfohlen, die bei einem Euro liegt. Infos unter 22 66 79 20. Die nächste Möglichkeit, das Shinnyo-Center, Joachimsthaler Straße 10, kennenzulernen hat man am Dienstag, 14. April, um 19.30 Uhr bei einem kostenlosen Vortrag des Religionswissenschaftlers Michael von Brück.
Thomas Schubert / tsc
Autor:

Thomas Schubert aus Charlottenburg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 78× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 211× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 196× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 48× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 263× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 618× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.