Dagmar Janke recherchierte ihre Familiengeschichte

Dagmar Janke sucht nach Spuren von in der Nazizeit ermordeten Familienmitgliedern. | Foto: Frey
  • Dagmar Janke sucht nach Spuren von in der Nazizeit ermordeten Familienmitgliedern.
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Friedrichshain. Vor dem Haus Rigaer Straße 80 werden am 6. Juni fünf Stolpersteine gesetzt. Sie erinnern an das Ehepaar Samuel und Jenni Bukofzer, ihre Tochter Luise und Schwiegersohn Leo Bendit sowie deren damals knapp dreijährigen Jungen Aron. Alle wurden in der Nazizeit ermordet.

Dass an ihr Schicksal jetzt gedacht wird, ist Dagmar Janke zu verdanken. Die 53-Jährige begann 2011, sich mit ihrer Familiengeschichte zu beschäftigten und stieß dabei auf zahlreiche jüdische Verwandte, die im Holocaust umgekommen sind."Jenni Bukofzer war eine von zehn Geschwistern meiner Großmutter", erzählt Dagmar Janke. Ihre Oma überlebte, ebenso wie ihr 1934 geborener Vater.

"Mein Vater hat später sehr wenig und ungern über diese Zeit und die vielen Toten in der Familie gesprochen", sagt die Tochter. Sie selbst wurde erst nach seinem Tod wieder daran erinnert und wollte mehr darüber erfahren. Es begann eine Suche durch viele Archive, von der Berliner Einwohnerdatei bis zur Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem. Dort wurde sie sehr bald fündig. "Inzwischen habe ich 99 Namen gefunden. Zu 25 habe ich nähere Angaben." Die meisten wohnten in Mitte, Prenzlauer Berg oder Friedrichshain.

So auch die Ehepaare Bukofzer und Bendit aus der Rigaer Straße. Samuel Bukofzer wurde 1881 in Westpreußen geboren. Seine Frau Jenni vier Jahre später in Kolberg. Beide übrigens am 15. Mai. Der Ehemann war Schneider von Beruf. Er starb als erster am 28. Mai 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Samuel Bukofzer gehörte zu den mehreren hundert Menschen, die in Berlin wahllos als Vergeltung nach dem Anschlag der Widerstandsgruppe Herbert Baum auf die Propagandaausstellung "Das Sowjetparadies" verhaftet und ermordet wurden. Seine Frau kam etwa eine Woche später mit einem Sondertransport der Angehörigen zunächst nach Theresienstadt. Von dort wurde sie am 9. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert.

In Ausschwitz ermordet

Für Luise Bendit und ihren Sohn Aron ging der Transport nach Auschwitz am 4. März 1943. Luise war damals 23, Aron wäre wenige Tage später, am 19. März, drei Jahre alt geworden. Zwei Tage später folgte ihnen Leo Bendit, geboren am 2. Juni 1906. "Sein Name fand sich bereits auf einem früheren Transport, war dort aber durchgestrichen", hat Dagmar Janke herausgefunden. Über die Gründe kann sie bisher nur spekulieren. "Möglicherweise war er zeitweise untergetaucht." Sie vermutet, dass Leo Bendit in Auschwitz nicht sofort umgebracht wurde. "Aus den Listen geht hervor, dass von den 183 Männern dieses Deportationszugs 153 zunächst Zwangsarbeit verrichten mussten." Wahrscheinlich auch Leo, der mit knapp 37 Jahren noch relativ jung und auch sehr kräftig gewesen sei.

Aussagen, die unterstreichen, welchen persönlichen Bezug Dagmar Janke inzwischen zu diesen Familienmitgliedern bekommen hat. Die Beschäftigung mit ihrem Schicksal sei ein Wechselbad gewesen, umschreibt sie ihre Gefühle. "Wenn ich auf einen Namen gestoßen bin, gab es zunächst sogar einen Moment der Freude. Ich hatte wieder jemanden gefunden." Er wurde aber sehr schnell abgelöst "von dem Abgrund, der sich vor mir auftat." Dabei sei ihr auch klar geworden, dass ihre Nachforschungen auch für sie selbst in einem konkreten Ergebnis münden müssen. "So kam ich zur Initiative Stolpersteine."

Die Initiative vermittelte auch einen Kontakt zum Heinrich-Hertz-Gymnasium, das sich neben dem Haus Rigaer Straße 80 befindet. In der Aula der Schule wird am 6. Juni nach dem Verlegen der Stolpersteine um 15 Uhr die Gedenkfeier stattfinden. Schüler tragen aus den Biografien der Familien Bukofzer und Bendit vor. Und sie haben die Kosten für einen der Steine übernommen. Den für den kleinen Aron.

Dagmar Janke möchte in Zukunft noch weitere Familienmitglieder auf diese Weise würdigen. Deren Geschichte, so sagt sie, lässt sie nicht mehr los.

Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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